Gedanken lesen
Mein Name ist Brave und eigentlich bin ich ein ganz normales 16-jähriges Mädchen. Ich bin eine sehr gute Schülerin und auch ordentlich, aber seit meinem Geburtstag letzten Monats herrscht in meinem Kopf Chaos und alles ist anders.
Ich fuhr wie jeden Tag gewöhnlich mit dem Bus zur Schule. Als ich in das Schulgebäude eintrat und den verschmutzten Flur entlang zu meiner Klasse ging, hörte ich eine Stimme in meinem Kopf. Diese ignorierte ich einfach und hielt sie für Einbildung. Doch es wurden immer mehr und lautere Stimmen, welche ich unmöglich ignorieren konnte. Ich wusste nicht, wie mir geschah und ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinunter. Angekommen an meinem Platz, kam auch schon unser Deutsch Lehrer herein. Er forderte meine Freundin, welche in der letzten Reihe saß, auf, ihr Referat zu präsentieren. Plötzlich hörte ich ihre Gedanken und ich wusste genau, was in ihrem Kopf vorging. Als sie zum Ende ihres unvorbereiteten Referats kam und sich enttäuscht an ihren Platz niederließ, hörte ich plötzlich meinen Namen. Der Lehrer wiederholte ihn mit bestimmender Stimme. Ich erschrak und war für wenige Sekunden sprachlos und in Gedanken versunken – in den letzten Tagen war ich so auf meine unerklärliche Fähigkeit fixiert, dass ich die Schule vernachlässigt habe.
Nach dem langen Schultag machte ich mich auf den Weg nach Hause. Als ich im Bus saß, sah ich meine ehemalige Volksschulfreundin. Sie hatte sich ziemlich verändert und anfangs war ich mir nicht sicher, ob sie es wirklich war. Gemeinsam stiegen wir an derselben Busstation aus und sie ging mit ein paar andern Mädchen in Richtung Stadtpark. Nach einigen Minuten kam ich zur Brücke, welche nur mehr wenige Meter von meinem Haus entfernt war. Ich sah meine Volksschulfreundin mit einer schwarzen Augenbinde auf das Gelände der Brücke aufsteigen. Ich wollte zu ihr hinüberlaufen und sie aufhalten, doch mutig ist für mich eigentlich ein Fremdwort, denn ich bin schüchtern und zurückhaltend. Als sie den ersten Schritt machte, hörte ich die Stimme wieder. Sie rief zu mir: „Mutig, ist nicht derjenige, der Mutproben macht und keine Angst hat, sondern der, der seine Angst überwindet. " Daraufhin nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und lief zu ihr. Ich nahm sie an der Hand und half ihr von der Brücke herunter. Ich zitierte den Satz meiner Gedanken und daraufhin gingen wir gemeinsam zu mir nach Hause. Dort erzählte sie mir, dass sie in der neuen Schule nur zur Clique der Mädchen dazugehören dürfe, wenn sie eine Mutprobe mache.
Schlussendlich lernte ich mit meiner Fähigkeit, Gedanken zu lesen und auf die innere Stimme zu hören, umzugehen und war doch froh sie zu besitzen.
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