Gedanken mit Tempo 180
In meinem Kopf ist ein einziges Chaos. Gedanken schwirren herum, ohne Weg und Ziel. Sie kommen aus Richtungen, wo noch nie Gedanken hergekommen sind. Komplett neue und ungewollte Gedanken beeinflusst durch die Wörter Anderer.
Oft sind es zu viele Gedanken, Gedanken die ich noch nie zuvor hatte. Gedanken über den Körper, die Gefühle, die Freunde & Familie. Keiner kann mir helfen den diese Gedanken sind so schnell weg, wie sie hergekommen sind. Mit einem Tempo von 180 kommen sie aus einer unbekannten Richtung und mit Tempo 180 verschwinden sie wieder. Folterung durch die eigenen Gedanken. Sie quälen einen, bringen einen bis zum Tod.
„Iss nicht so viel“, „Schau mal auf die Kalorien“, „Steh mal auf und geh laufen“ sind Gedanken, die oft vorkommen. Ich lege die Gabel zurück auf den Teller, dreh den Proteinriegel nochmal um und stehe auf und gehe raus. Die Gedanken stecken fest in meinem Kopf. Sie möchten nicht raus, doch wenn ich denke, es geschafft zu haben sie loszuwerden, merke ich, dass ich mich getäuscht habe und sie noch stärker und lauter zurückgekommen sind.
„Nimm doch noch ein Stück Schoko, das hast du dir verdient“, „Die Zahl war heute wieder tief unten, du kannst dir jetzt noch eine zweite Portion gönnen“, „Der Hosenbund ist ja eh noch so weit, da hast du noch genug Platz für eine Nachspeise“ sind Gedanken die herumschwirren und alles in ein riesiges Chaos bringen.
Ich gehe raus. Ich laufe die Wege entlang ohne Orientierung aber mit einem Ziel: den Gedanken entkommen. Für einen Moment habe ich alles vergessen, doch in der Sekunde in der ich zuhause ankomme, sind die Gedanken zurück. Um mich herum ist Essen, ich habe Hunger, doch meine Gedanken sagen „Nein“.
Am Abend, wenn ich alleine bin halte ich es nicht mehr aus. Ich koche mir Eier und esse nur das Eiweiß, denn das hat weniger Kalorien. Danach kann ich noch eine Reiswaffel mit Gurkenscheiben essen. Eine Reiswaffel mit halbfetter Butter und einem dünnen Blatt Salami darf auch noch dabei sein. Etwas Hunger habe ich noch. Die restliche Gurke, eine halbe Paprika und noch etwas Sellerie wird aufgeschnitten, dazu mache ich einen Dip mit ganz vielen Gewürzen, denn sonst schmeckt es nicht. Einen kleinen „Sweet treat“ darf ich mir auch noch gönnen, ein Pfirsich mit paar Haferflocken und Chiasamen in einer Schüssel Jogurt schaden ja nicht. Zum Serie schauen, gibt es ein paar Löffel Apfelmus, doch plötzlich ist das ganze Glas leer. Ich halte es nicht mehr aus. Im Zimmer nebenan finde ich Chips und esse die ganze Packung. Toll gemacht. Jetzt musst du alles rauskotzen. Ich geh zum Klo, steck mir den Finger in den Mund und kotze es aus.
Am nächsten Tag möchte ich wieder entfliehen. Die dummen Gedanken gestern haben wieder kontrolliert. Ich muss ihnen zeigen, dass ich es alleine schaffe. Ich fange an zu rennen. Ich bin schnell. Aber ich muss schneller sein. Ich laufe so schnell, dass ich bei dem Tempomessgerät die Zahl nicht erkennen kann. Aber es sieht aus wie Tempo 180.
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