Gefahr im Dunkeln
Ich rannte. So schnell wie noch nie zuvor. Mein Rachen schmerzte. Meine Lunge rang nach Luft. Dennoch schrie ich mir die Kehle aus dem Leib. Niemand schien mich zu hören. Immer wieder schwang ich meinen Kopf zurück. Er holte auf. Mein nasses Haar klebte mir im Gesicht. Ich ignorierte es. Ich musste einfach weiter.
Ich bog um eine Straßenecke. Endlich wieder Laternenmasten. Ich sah wieder, wo ich hintrat. Von meiner Lunge aus wanderten die Schmerzen in meine Beine. Meine Waden zerrissen, meine Oberschenkel explodierten. Ich rannte weiter. Ich schwang meinen Kopf erneut herum. Er holte weiter auf. Verzweiflung kam in mir hoch und erschwerte mir das Atmen, bis es ein Ding der Unmöglichkeit war. Hastig suchte ich nach irgendwas, das mir helfen konnte. Andere Menschen, ein Gegenstand zur Selbstverteidigung.
Aber was, wenn er ein Messer hat?
Warum waren Straßen um diese Uhrzeit immer so leer? In den hohen Häusern leuchtete kein einziges Licht mehr. Zum Schreien fehlte mir mittlerweile die Luft. Es platschte. Wasser spritzte an mir hoch und mein linkes Bein rutschte leicht weg. Zum Glück hatte ich Sportschuhe an. Hätte ich heute Absätze getragen, wäre es schon um mich geschehen. Ich hörte das Klatschen von Schuhen in den Pfützen der nassen Straße. Vielleicht noch zwanzig Meter. Der Beginn des Abends spulte erneut durch meinen Kopf. Meine Mutter, die verzweifelt versucht hatte, mir auszureden, zu dieser dummen Feier zu gehen. Mein Vater, der sie beschwichtigte und mir sagte, ich solle schon verschwinden. Mein kleiner Bruder, der mich mit einer letzten, fröhlichen Umarmung verabschiedete. Seine letzten Worte an mich.
Komm bald wieder!
Ein Knattern durchschlug die schwüle Sommernacht.
War es ein Motorrad?
Es wurde lauter. Ich fiel. Blut rann von meiner Stirn und ein stechender Schmerz fuhr durch meinen Schädel. Ich drehte mich auf den Rücken und schaute die Gestalt an. Groß. Schwarz gekleidet. Sie warf einen Schatten in das grelle Laternenlicht, der sich über mir ausbreitete. Das Gesicht unter einer Kapuze versteckt. Sein Laufen ging über in ein siegessicheres Schlendern. Ich bildete mir ein, durch das Knattern ein sadistisches Lachen zu hören. Mein Puls schlug so schnell, dass ich glaubte, an Herzrasen zu sterben. Ein Scheinwerfer näherte sich im Hintergrund. Ich schrie. Ein letztes Mal noch. So laut ich konnte. Ich schmeckte Blut. Jetzt galt nur hoffen. Der Scheinwerfer war direkt vor uns. Doch meine Sicht verschwamm. Dunkelheit, gepaart mit höllischen Schmerzen machten sich in meinem Kopf breit. Ich hörte einen dumpfen Aufprall. Er schien weit weg. Ein Stöhnen entwich meinen Lippen. Eine Stimme versuchte zu mir durchzudringen, doch ich verstand nichts mehr. Langsam schwand mein Bewusstsein.
Auf einmal hallte Sirenenlärm durch die Nacht. Mein Gehirn schaffte es, einen klaren Gedanken zu formen und klammerte sich daran fest.
Ich bin in Sicherheit!
Ich spulte diesen Satz auf Dauerschleife, bis mich die Dunkelheit übermannte.
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