Gefangen im Rhythmus der Sekunden
Tick…tack…tick…tack. Unaufhörlich jagt die Zeit über das Ziffernblatt. Ein neuer Tag, an dem ich haste, laufe, sprinte, ohne jemals anzukommen.
Wozu dann überhaupt? Niemand zwingt mich, niemand kontrolliert mich. Ich alleine mache mir den Druck alles über das gewöhnliche Maß hinaus zu erledigen, überall anwesend zu sein – und am aller wichtigsten: Die Beste zu sein. Nicht nur gut, nicht nur ausreichend – nein, perfekt. In der Schule, zuhause, aber vor allem in meinem Sport. Ich will mich beweisen, zeigen, dass sich die harte Arbeit gelohnt hat und, dass ich mehr kann als andere. Doch je mehr ich danach strebe, desto größer wird die Angst zu versagen. Stundenlanges Training, endlose Tränen und doch ist das nicht genug, um mitzuhalten, denn andere hatten mehr Zeit.
Es ist wie ein Wettlauf ohne Ziel. Denn selbst wenn ich etwas erreiche, verspüre ich keinen Stolz, keine Ruhe. Der Erfolg eines erreichten Zieles ist nur der Anstoß für das nächste. Ein Sieg fühlt sich kaum wie ein Sieg an, eher wie eine Pflicht, denn die Zeit ist nicht auf meiner Seite.
Tempo. Immer dieses Wort. Zu langsam, zu schnell, nie genau richtig. Als ob mein ganzes Leben ein Takt wäre, in den ich hineinpassen muss. Die Uhr diktiert mir, wann ich anfangen, und wann ich fertig sein soll, und wenn ich mal hängen bleibe und stolpere, rennt sie einfach weiter. Der Wunsch, die Beste zu sein, macht krank. Er treibt mich an, aber frisst mich gleichzeitig auf. Ich spüre ihn ständig, diesen unsichtbaren Countdown in meinem Kopf – als ob mir die Zeit davonläuft, während ich versuche, allem gerecht zu werden. Die Zeit kennt kein Mitleid.
Manchmal wünsche ich mir, ich könnte die Zeit einfrieren, nur für einen Moment. Tief durchatmen, nachdenken, ob das, was ich gerade gesagt habe, überhaupt Sinn ergibt. Doch sie rast weiter und jede Sekunde fühlt sich wie ein Schlag an, denn je knapper die Zeit, desto größer der Druck, perfekt zu sein. Als ob Fehler nur eine Frage der Sekunden wären.
Als Kind schien Zeit endlos. Das Klingeln des Weckers bedeutete den Start in ein neues Abenteuer. Heute wache ich schon mit dem Wissen auf, dass ich mich den ganzen Tag quälen werde und es trotzdem kaum reicht, um alle Aufgaben zu erledigen. Früher war Zeit ein Spielraum, jetzt ist sie Messlatte. Unter Zeitdruck zählt nicht mehr, wie viel man versteht, sondern nur, wie schnell man Ergebnisse vorweisen kann. Tempo wird zur Währung des Erfolgs, wer zu langsam ist, befindet sich schnell im Minus.
Zeit. Dieses Wort löst in mir sowohl Sehnsucht als auch Druck aus. Sie jagt mich, ob ich will oder nicht. Minuten, Stunden und Monate gleiten vorbei, als wären sie nicht zum Leben da, sondern nur, um einen Vergleich zu schaffen, an dem man gemessen werden kann. Es wirkt, als ginge es nicht um das Erledigen der Aufgaben, sondern ums Sprinten. Die Uhr ist immer anwesend – wie ein stummer Prüfer, strenger und unerbittlicher als jede Lehrkraft.
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