Gefährliche Genialität
„Haben Sie sich jemals überlegt, was passieren würde, wenn man ein Verbrechen vorhersagen könnte? Mehrere Jahre hat es gedauert, doch nun gibt es das BCD – das Before Crime Department. Dank eines Systems, das Straftat und Täter voraussagen kann, blicken wir auf ein verbrechensfreies Jahr zurück. Alles dank Tessa Sterling. Und deshalb wollen wir ihr heute den World Peace Prize überreichen.“ Ich betrat die Bühne, begann mit meiner Dankesrede.
Ich verließ die Preisverleihung sehr spät. Müde betrat ich die Tiefgarage und sperrte mein Auto auf. Plötzlich richtete ein dunkel gekleideter Mann eine Glock auf mich. Mein Herz schlug schnell. Ich erstarrte beim Blick in seine Augen, die so schwarz waren wie seine Seele. Er wollte mich töten, aber warum? Ein furchterregendes Grinsen wanderte auf seine Lippen. „Du erinnerst dich nicht?“ Ich schüttelte den Kopf. „Du hast meinen Bruder getötet!“, schrie er zornig. „Ich habe nichts getan! Ich kenne ihn ja gar nich…-“ Schmerzerfüllt ging ich zu Boden. Er hatte mir ins Bein geschossen. „Wegen deiner Berechnungen wurde er in der Bank erschossen. Er hatte nichts verbrochen. Gar nichts!“ –Jetzt erinnerte ich mich an diesen Fall! Der Mann hatte die Bank überfallen wollen und den Kassier töten, was durch die installierten Kameras registriert, durch mein System berechnet und an die Polizei weitergeleitet worden war. Deshalb wurde er erschossen – mit der Waffe in der Hand! Mein Atem stockte. Wenn ich nicht sterben wollte, musste ich etwas tun. „Es tut mir so leid“, beschwischtigte ich ihn. „Ich werde meine Arbeit korrigieren. Ich -“ „Es tut dir leid? ! Du willst deinen Fehler wieder gut machen?“ Ich bemerkte den zynischen Unterton in seiner Stimme. Mein Bein schmerzte, und ich versuchte, den Blutverlust mit meiner Hand zu verringern. „Tja… dann richte ihm doch liebe Grüße von mir aus.“ Nein, ich wollte noch nicht sterben. Was konnte ich nur tun? Er kam immer näher. Ich versuchte, ihm ins Gewissen zu reden: „Würde Ihr Bruder wollen, dass Sie jemanden töten?“ Er wandte den Blick ab. „Was weißt du schon? ! Du kanntest ihn ja gar nicht!“ Sein Zorn war spürbar. Wo blieb nur das BCD? Sie hätten längst davon wissen müssen. Die Einsatztruppe war meine einzige Hoffnung. Mit dem verletzten Bein würde ich nicht weit kommen. Ich konnte nichts tun, außer Zeit zu schinden. Mein Blick fiel in eine Ecke. Genau dort hätte die Kamera zur Gesichtserkennung hängen müssen. Sie war nicht da. Er hatte sie entfernt. Sie hätte die Mimik, Pupillengröße und Durchblutung des Gesichts registriert, und das von mir entwickelte Programm hätte aus diesen Parametern exakt berechnen können, was er empfindet und welche Handlung er setzen würde.
Langsam wurde mir schwindelig und ich konnte nicht mehr klar denken. Der Blutverlust durch die Wunde am Bein war zu groß!
Die Tür zur Tiefgarage wurde mit großer Wucht aufgestoßen. Das BCD! Das Letzte, was ich hörte, war ein lauter Knall, dann schwebte ich in eine friedvolle Dunkelheit. . .
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX
