Die Tante
Für einen Herbsttag war es heute verblüffend warm. Dennoch verspürte er, wie sonst auch immer, nicht im Geringsten, den Drang das Haus zu verlassen. Es gab seines Erachtens Wichtigeres zu tun. Zum einen musste er noch für seine Prüfung an der Uni lernen und zum anderen wollte er noch damit anfangen, das Buch, welches ihm zu seinem 22. Geburtstag geschenkt worden war, zu lesen. Also beschloss er sich auf die Couch zu setzen und gemütlich damit anzufangen das Buch zu lesen. Für das Lernen wäre gewiss später noch Zeit. Plötzlich läutete es. „Oh nein“, dachte er, und als er zur Tür ging und diese öffnete, blickte ihm eine fröhliche Miene entgegen. Es war seine Tante. „Hallihallo“, rief sie. Er lies es sich nicht anmerken, wie genervt er bereits nach diesem einen Wort von ihr war. Es war nicht so, dass er sie nicht mochte, aber seiner Wahrnehmung nach war sie, um es höflich auszudrücken, sehr eigen. „Hallo“, entgegnete er ihr mit einem gefälschten Lächeln auf seinem Gesicht. Bevor er noch etwas Weiteres sagen konnte, hatte seine Tante die Wohnung bereits betreten. „Meine Güte Franzerl, dich hab ich ja eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen. Da hab ich mir gedacht ich muss dich mal wieder besuchen. Mein Gott, du bist schon wieder so dünn wie ein Skelett. Du musst mehr essen, mein Bua. Isst du eh genug? Warm ist’s wieder draußen. Wieso bist’n du so warm angezogen? Is dir kalt? Da musst du dich wärmer anziehen, wenn dir kalt is gel? Hast du einen Kaffee da? Nein du trinkst sowas ja nie. Mein Gott, eine Wohnung braucht doch Kaffee. Ich muss dir unbedingt eine Kaffeemaschine kaufen!“ Da schoss es aus ihm heraus. Er wollte es gar nicht sagen. Er hatte es doch eigentlich nur gedacht, doch es war zu spät, die Worte waren bereits aus ihm herausgeplatzt. „Geh bitte!“
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