„Geh bitte, Rassismus geht gar nicht!“
Ich stehe allein in dem Türrahmen und blicke in meine neue Klasse hinein. Nervös trete ich von einem Fuß auf den anderen. „Du schaffst das“, wiederhole ich wieder und wieder in meinem Kopf.
Als meine Mama mir vor zwei Wochen gesagt hat, dass wir umziehen werden, dachte ich zuerst es wäre ein Scherz. Sie weiß ganz genau, wie schwer es mir fällt mich in einer neuen Umgebung einzugewöhnen. Durch meine Wurzeln in Äthiopien habe ich dunkle Haut. Das war bis vor zwei Wochen auch noch ganz normal. Seit wir aber nach Berlin gezogen sind, fühle ich mich schrecklich fehl am Platz. Die Leute auf der Straße werfen mir schiefe Blicke zu, unsere neuen Nachbarn meiden es, mit uns zu reden. Fast als wären wir gefährlich. Wovor ich aber am meisten Angst hatte, war die neue Schule.
Jetzt stehe ich also hier und traue mich nicht, den Raum zu betreten. Auf einmal kommt ein Mädchen von hinten zu mir. „Warum stehst du hier so blöd im Weg herum?“, fragt sie mich. Da ich eine lange Hose trage und die Kapuze meines Pullovers tief in mein Gesicht gezogen habe, kann man nicht wirklich erkennen, wie meine Haut aussieht. Also murmle ich mit gesenktem Kopf eine Entschuldigung und betrete langsam das Klassenzimmer. Während das Mädchen mit viel Trara zu einer Gruppe von Schülern in die erste Reihe geht, versuche ich so unauffällig wie möglich in die letzte Reihe zu gelangen. Ganz hinten im Eck steht ein leerer Tisch, auf den ich nun zugehe. Von hier kann ich die komplette Klasse überblicken, doch keiner sieht mich. In der vordersten Reihe scheinen die „Coolen“ zu sitzen. Es sind ein paar Jungs und Mädchen, alle ziemlich hübsch und sportlich. Die mittlere Reihe scheint eher normal, nicht so aufgedreht und in der dritten Bankreihe sitze nur ich. Das Klingeln der Schulglocke reißt mich aus meinen Gedanken. Auf die Sekunde genau betritt mein neuer Lehrer die Klasse. „Guten Tag meine Lieben“, begrüßt er uns. „Guten Morgen Herr Schnee“, antworten alle brav. „Vielleicht wisst ihr schon, dass wir eine neue Schülerin bekommen haben. Magst du dich bitte einmal vorstellen Laya?“ Mit wackeligen Knien stehe ich von meinem Platz auf. „Hallo mein Name ist Laya und ich bin vor ungefähr zwei Wochen nach Berlin gezogen.“ „Und woher kommst du, Laya?“, fragt Herr Schnee. Ich hole einmal tief Luft. Dann sage ich: „Ich komme aus Äthiopien.“ „Ok Laya, du kannst dich wieder hinsetzen. Heute, liebe 6b, machen wir eine Partnerarbeit. Ich werde euch jetzt Arbeitszettel geben. Darauf steht mit wem ihr zusammen in einer Gruppe seid und was ihr machen müsst.“ Auch das noch. Als Herr Schnee mir meinen Zettel gibt, zeigt er auf das Mädchen, das mich im Türrahmen angesprochen hat und erklärt mir, dass sie meine Partnerin ist. An dem begeisterten Gesichtsausdruck von ihr erkennt man, dass sie darüber genau so glücklich ist wie ich. Als ich dann aufstehe und zu ihr gehe, sieht sie mein Gesicht. Sie reißt die Augen auf und sagt: „Geh bitte. Mit so jemandem will ich nichts zu tun haben!“
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