Gehen statt stehen!
"Geh bitte! "
"Was? "
"Verzeihung. . . gehen Sie bitte? "
"Ich habe Sie immer noch nicht ganz verstanden. . . "
"Sie sollen gehen, der Platz vor Ihnen ist soeben frei geworden. "
"Keine Eile, junger Herr, ich bin in meinem Leben oft genug gestresst gewesen. "
"Dann lassen Sie mich bitte vorbei. "
Die Schlange aus Menschen hinter mir wird unruhig, ein Mann ruft: "Ge bitte, kann es da vorne nicht endlich weitergehen? "
"Ich weiß nicht, ob Sie schwerhörig sind, jedenfalls sind Sie schwer von Begriff, ich und eine Menge anderer Leute wollen hier vorbei. Sie blockieren den Weg. "
Ein erstaunter Blick meines Gegenübers, leicht provozierend, tat er das alles nur aus Spaß?
"Wissen Sie, ich bevorzuge stehen, anstatt zu gehen, ich verstehe nicht, was das Problem sein soll. "
Die hohe Stimme einer Frau im Abendkleid ertönt: "Schatz, wann geht das alles endlich vorbei, ich möchte doch nur in die Vorstellung. "
Ihre Kette leuchtet im Licht der Deckenlampen, die Steine daran sind so groß, dass es ein Wunder ist, wie sie es schafft, aufrecht zu stehen.
"Das Problem ist, dass Sie die Besucher aufhalten, wenn Sie weiterhin so stur bleiben, muss ich das bei dem Kartenabreißer vorne melden. "
"Ja! ", kreischt die Frau hinter ihm. "Geh, bitte! "
"Bitte bleiben Sie ruhig", sage ich, obwohl es mir schwer fällt, mich selbst daran zu halten.
Aber so kann es nicht weitergehen, also was tun?
"Ich glaube nicht, dass Sie mich so einfach hinauswerfen können, ich bleibe hier, bis die Vorstellung beginnt. "
"Was erlauben Sie sich! ", ruft ein weiterer Mann, nur unweit von mir entfernt.
Aus dem Augenwinkel kann ich den schwarzen Abendwrack und die goldene Uhr am Handgelenk sehen.
"Was müsste man denn tun, um Sie zum Gehen zu bewegen? "
"Mir helfen", das runde Gesicht lächelt mich weiter an, der Mann scheint nicht so wohlhabend zu sein, wie die anderen Gäste hier. In der zitternden Hand hält er einen schlichten Gehstock.
Die Falten, die bei seinem breiten Grinsen entstehen, lassen ihn sympathisch wirken und dass obwohl er gerade die Warteschlange aufhält.
"Und wie kann man Ihnen helfen? ", ich höre die Ungeduld aus meiner Stimme sprechen. Warum kann es nicht einfach weitergehen?
"Mein Sohn ist bereits im Saal, er wollte, dass ich den Weg bis dahin alleine gehe, aber irgendwann haben meine Beine einfach aufgegeben, ein Schmarren ist das, das Alter. Da will man ins Theater und plötzlich geht es nicht mehr weiter. "
Für einen kurzen Moment ist die Menge fassungslos, vereinzelter Lacher sind zu hören, bis sich zwei Männer, die sich nicht zu schade darum sind, Falten in ihre Smokings zu bringen, aus der Schlange lösen und den älteren Mann zwischen sich nehmen.
"Sie hätten mal ihr Gesicht sehen sollen", kichert er fröhlich vor sich hin.
"So sehen also Menschen aus, wenn die Dinge nicht nach ihren Vorstellungen gehen, und das meine ich wörtlich. "
Verdutzt blicke ich ihm nach, bis die Dame hinter mir sagt: "So junger Mann, geh bitte! "
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