Gekommen, ankommen, bleiben?
Gekommen:
Jeder verwendet das Wort Todesangst, doch weiß irgendwer von euch, was das wirklich bedeutet, Todesangst zu haben?
Ich erkläre es euch:
Todesangst ist es, wenn du mit 35 Leute in einem Boot sitzt, das eigentlich nur für 10 Personen geeignet ist. In einem Boot, das keinen Bootsfahrer hat und dem auf einmal der Motor ausgeht. Mitten im Meer. Und dann, nur weil du sooo viel Glück hast, kommt genau in diesem Moment die Meer-Polizei und. . . schießen auf dich.
Todesangst ist es, wenn du 10 Stunden durch einen Wald gehen musst, ohne zu wissen, wo du gerade bist, wohin du gehst oder ob dieser Wald überhaupt gefährlich ist!
Todesangst ist es, wenn du in einem kleinen LKW eingesperrt bist mit mehr als hundert Leuten, wenn du in der Dunkelheit für zwei Stunden oder noch mehr bist und wo deine Geschwister dich jede Minute fragen, ob du noch am Leben bist, weil sie glauben, dass du keine Luft bekommen kannst!
JA genau das alles habe ICH erlebt, als ich 10 oder 11 Jahre alt war.
Ankommen:
Endlich bist du dann in Österreich, lernst die Sprache, integrierst dich, versuchst, irgendwie zu Recht zu kommen. Versuchst, dich an das Land, die Leute und auch das Wetter zu gewöhnen, und dann gibt es immer noch - und immer mehr - diese Leute, die uns nicht wollen, die uns wegschicken möchten, die Angst vor uns haben. Ja vor uns Flüchtlingen. WARUM?
Ihr macht euch schuldig, dass ihr so vielen Jugendlichen, Kindern und Erwachsenen nicht die Chance gebt, sich zu integrieren, nicht die Chance gebt, sich SICHER zu fühlen, nicht die Chance gebt, endlich anfangen zu leben.
Wenn du in derselben Lage wärst wie diese Menschen, würdest du dir nicht auch dasselbe wünschen? ? ? Sicherheit, Freiheit und die Chance auf ein gutes Leben?
Ich glaube, jeder würde es sich wünschen! Jeder.
Bleiben:
Und dann - endlich - diese Antwort bekommen. Endlich diese Antwort, auf die man so lange gewartet, gehofft und gefürchtet hat. Endlich dieses JA! Ja, du darfst dableiben! Ich war an diesem Tag so glücklich, dass ich nur gesungen habe.
Durch meine Erlebnisse möchte ich sagen: JA, sich zu integrieren ist sehr schwer. Ja, aufhören Angst zu haben, ist sehr schwer. Ja, die Sprache lernen ist sehr schwer. Ja, sich an dieses Wetter gewöhnen, ist sehr schwer. ABER: es ist alles machbar. ICH habe es geschafft wie viele andere und ich hoffe, ihr vergrämt es nicht anderen. . .
Ich bin dankbar, weil ich hier bei diesem Literaturwettbewerbes zum ersten Mal wirklich meine Geschichte erzählen darf. Und auch wenn ich nicht gewinnen werde, bin ich sehr froh, dass ich an diesem tollen Projekt teilnehmen darf. Nicht nur, weil ich so viel gelernt habe und so eine Erfahrung gesammelt habe, aber vor allem, weil ich etwas sagen darf, meine Geschichte erzählen darf und mir Menschen zuhören , die mir sonst vielleicht nie zugehört hätten.
Wir danken unseren Unterstützern
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