Gelbe Tage
Jeder Tag ist so wie der davor. Nur etwas anders. Ähnlich verschieden. Gleich, aber nicht ganz. Und ich wache jeden Tag auf. Nicht genau wie am Tag davor. Aber fast. Die selben Ängste, Zweifel. Gedanken, die die Nacht überdauern. Am nächsten Tag sind sie immer noch da. Jeden Tag wache ich auf. Neu. Aber alt. Wie davor. Doch nicht ganz.
Ich wache auf. Am selben, alten Platz, im selben, alten Bett. Die Zeit vergeht. Tage, Wochen. Veränderungen? Nein. Die Zeit vergeht und doch vergeht sie nicht.
Jeder Tag ist Blau. Blau oder Grau. Aber nicht gelb, verstehst du was ich meine?
Altes Leben, im alten Land. Ich suche mich. Mich aber neu.
Aber wie soll ich mich finden? Dieses neue Ich? Wie soll ich mich finden, wenn alles um mich herum das gleiche Alte ist? Die alten Ängste, Zweifel. Die alten Gedanken. Die, die die Nacht überdauern. Die am nächsten Morgen immer noch da sind. Am alten Platz, im alten Bett. Altes Leben, im alten Land. Ich habe das Gefühl, dass nicht nur die Tage grau und blau sind. Auch ich bin es. All meine Gedanken. Grau und blau.
Nein. Das neue Ich braucht neue Gedanken. Neue Hoffnung, neue Perspektiven. Einen neuen Platz, ein neues Bett. Ein neues Leben, im neuen Land. Ich muss mich befreien. Aus dieser farbenlosen Welt. Aus diesem farbenlosen Ich. Ich muss diesem Ort entfliehen, der mich mit all seinem Grau erdrückt und mich nicht atmen lässt, nie wirklich atmen lässt. Ich sehne mich nach einer unbeschreiblichen Weite, in der sich all meine Sorgen so lange verteilen, bis sie mich nicht mehr erdrücken können, bis ich die Last, welche auf mir liegt, nicht mehr spüre und ich endlich wieder atmen kann.
Ich raffe mich auf. Mache mich auf die Suche. Auf die Suche nach diesem neuen Land. Nach diesem Neuland. Auf die Suche nach gelben Tagen. Nach dem neuen Ich.
Neuland. So verführerisch tröstend.
Die Angst vor dem Unbekannten weicht der Sehnsucht nach Veränderung. Es muss etwas geschehen. Nicht morgen. Heute. Jetzt.
Ich laufe der untergehenden Sonne entgegen. Versuche den Sonnenuntergang einzuholen. Zu überholen. Neuland. Auf der anderen Seite. Dort, wo ein neuer Anfang auf mich wartet. Ein neuer Tag. Wo die Sonne für mich neu aufgeht. Ich kann sie überholen. Die Sonne. Und dann, auf der anderen Seite, dort werde ich sie aufgehen sehen. Endlich richtig aufgehen sehen. Sie bringt Licht mit sich. Licht und Hoffnung.
Ich frage mich, wie es dort wohl sein wird. Auf der anderen Seite. Im neuen Land. Besser? Auf jeden Fall eines. Anders. Anders als hier. Anders als jetzt. Und dort werde auch ich anders sein. Vielleicht sogar besser.
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