gemeinsam.
Nachdem wir uns begrüßt haben, schweigst du. Dabei siehst du mich nicht an wie gewöhnlich, nein, du betrachtest mich. Die Stille zwischen uns behagt mir nicht, daher scherze ich, dass ich wohl atemberaubend sei. Du lachst nicht.
Nach einigen Sekunden, die unendlich scheinen, räusperst du dich. „Gut siehst du aus.“ Verdutzt sehe ich an mir herunter und dann dich erstaunt an. Du wirkst verlegen.
Unter unseren Füßen raschelt das Herbstlaub, die Luft ist kühl. Ich werfe dir einen Blick zu, den du mit einem Lächeln beantwortest.
Meine Gedanken wirbeln herum, ich erinnere mich an Sachen, die ich mit dir erlebt habe. Ich werde rot, als ich an das Vertrauen denke, dass wir einander gegeben haben ohne Sorgen und Bedenken. Früher war alles ungezwungen, jetzt habe ich bei jedem Schritt Angst, den falschen zu tun und bei jedem Gedanken die Befürchtung, du könntest ihn hören.
Plötzlich stolpere ich über einen Ast und schrecke auf. „Was ist denn mit dir los?“, fragst du mich. Nun sehe ich dir direkt in die Augen, in deine sturmgrauen Augen, in die ich noch nie so intensiv geschaut habe. „Was mit mir los ist?“, erwidere ich, meine Stimme bebt. Ob aus Wut oder Trauer kann ich nicht sagen. „Du bist doch der, der sich komisch benimmt!“
Du zuckst zusammen, doch ich ignoriere es und stapfe weiter. Eine Zeit lang höre ich nur meine eigenen Schritte, dann vernehme ich eine rasche Schrittfolge und höre dich keuchen.
Wir gehen wieder nebeneinander her.
„Wir müssen reden.“
Nein, müssen wir nicht.
„Hör mir zu, ich muss mit dir reden!“
Ich will aber nicht. „Später.“
„Wann? Wenn wir uns nach Monaten wieder mal treffen? Verdammt, lass mich mit dir reden!“ Dein Tonfall überrascht mich, ich sehe auf. Noch nie verriet deine Stimme so viel Emotion. Mit einer angespannten Geste streichst du dir die Haare aus dem Gesicht. Bisher haben all deine Bewegungen stets locker gewirkt, jetzt ist dein ganzer Körper verkrampft und deine Gesichtsmuskeln zucken. Schließlich raffe ich mich zu einer Antwort.
„Was gibt es?“
Ich hatte vor, die Frage beiläufig klingen zu lassen, doch ich habe einen Kloß im Hals und stocke beim Sprechen. Du antwortest, doch ich trifte ab und gehe in einem Strudel von Gedanken unter. Seit heute ist zwischen uns ein seltsames Prickeln. Ein solches Gefühl ist mir unbekannt. Deine Worte und deine Art überfordern mich, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Angst bekomme ich. Alles scheint immer weiter zu zerbrechen, dabei ist alles was ich möchte, dass es so wird wie früher, frei und unbeschwert.
Erwartungsvoll siehst du mich an - du hast eine Frage gestellt. Auf mein Schulterzucken seufzt du. „Ich will dich nicht verlieren“, flüsterst du und kommst näher, „Wir gehen uns schon viel zu lang aus dem Weg.“ Der Sturm hat sich gelegt. Meine Hand greift nach deiner - war sie schon immer so kalt? „Ich dich auch nicht.“ Vielleicht wird ja doch alles wieder gut. Vielleicht schaffen wir es doch noch, uns aufzuraffen und weiterzumachen.
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