Genug?
Ich habe viel. Ich habe viel, aber nicht genug. Mit dem, was ich habe, bin ich zufrieden. Ich will aber mehr. Ich will das haben, was andere haben. Ich bin unzufrieden, weil ich nicht alles habe, was ich gerne hätte. Meine Mutter sagt immer, dass es anderen Menschen viel schlechter gehe als mir. Ich habe mich lange gefragt, ob es Menschen gibt, die wenig haben, aber trotzdem glücklich sind. Ich meine, ich habe viel, bin aber trotzdem unzufrieden. Wie soll dann jemand, der wenig hat, zufrieden sein? Ich kann es mir nicht erklären. Ich gehe nach draußen und sehe ein paar Bettler. Ich setze mich neben einen. Wir schauen uns gegenseitig an. Er sitzt auf einer roten Decke, die einmal zusammengefaltet ist. Keiner von uns beiden sagt etwas. Die Menschen hetzen an uns vorbei, werfen ab und zu eine Münze in den Kaffeebecher, der vor dem Bettler steht, und gehen schnell weiter. Plötzlich steht der Bettler auf, nimmt seine Decke und breitet sie auf dem Boden wieder aus. Er setzt sich auf eine Seite der Decke und deutet mir, dass ich mich auf die andere Hälfte setzen soll. Ich frage mich, wieso er für mich Platz auf der Decke macht und frage: "Wieso willst du, dass ich mich auf die Decke setze? ", worauf er antwortet: ". . . Weil du sonst auf dem kalten Boden sitzen musst. Ich habe aber eine große Decke, wo genug Platz für zwei ist". Ich setze mich neben den Bettler, der mich fröhlich anlächelt und zu erzählen beginnt. Er erzählt, dass er zwar nicht gerade viel besitzt, trotzdem aber fast immer etwas zu essen hat und ab und zu sogar zum Essen eingeladen wird. Er erzählt auch, dass er zufrieden ist mit dem, was er hat. "Es gibt viele Menschen, denen es noch viel schlechter geht als mir. Für mich ist es wichtig nicht immer mehr zu wollen, als ich habe, sondern mit dem, was ich habe, zufrieden zu sein". Mir wird bewusst, wie gut es mir eigentlich geht.
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