Genug
Es war kein Tag, wie jeder andere, es konnte nur noch alles schief gehen, denn ich hatte verschlafen. Ich sprang aus meinem gemütlichen, warmen Bett, raffte im Eiltempo meine Sachen zusammen und rannte aus dem Haus. Außer Atem kam ich am Bahnhof an, doch der Zug fuhr mir genau vor der Nase davon. Da hatte ich eigentlich schon genug. Als ich nun endlich verschwitz im Zug saß, fiel mir sofort ein schwarz gekleidetes Mädchen auf. Sie hatte schwarzes Haar und trug im Gesicht lauter Piercings. Eines war ihr wohl nicht genug.
Der Schultag verlief auch nicht wirklich aufbauend, da wir einige Tests und eine unangemeldete schriftliche Überprüfung in Mathematik hatten. „Jetzt ist es genug“, dachte ich, als ich die Schule verließ. Doch auf meinem Heimweg erkannte ich das Mädchen wieder, welches ich heute Morgen im Zug getroffen hatte. Vielleicht ging sie ja mit mir in die Schule und ich hatte sie bis jetzt noch nie zuvor gesehen. In Gedanken versunken stand ich vor einer roten Ampel und wartete ungeduldig auf Grün. Plötzlich bekam ich von der Seite einen heftigen Stoß, verlor das Gleichgewicht und landete auf dem harten Asphalt. Bei dem Versuch mich wieder aufzurappeln, sah ich zu meinem Entsetzten, dass der in Schwarz gekleidete Teenager, der mich umgerannt hatte, wie verrückte auf die Kreuzung zulief. Mir stockte der Atem, als ich den heranfahrenden Bus erblickte. Er fuhr mit hoher Geschwindigkeit auf die Haltestelle zu. Sein Tempo war viel zu hoch, um rechtzeitig vor dem ihm entgegenlaufenden Mädchen anzuhalten. Ich vernahm einen dumpfen Knall und sah wie das Mädchen zu Boden ging und nach hinten kippte.
Dieser Moment ereignete sich wie in Zeitlupe vor meinen Augen. Es herrschte Totenstille. Nach kurzer Zeit rief jemand die Rettung an. In diesem Moment ging alles sehr schnell, das Mädchen wurde auf eine Trage gelegt, in den Krankenwagen transportiert und dann fuhren sie weg.
Und ich dachte, ICH hatte einen schlechten Tag.
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