Genug
„Es liegt nicht an dir, aber das, was wir haben, ist einfach nicht mehr genug. Ich will nicht daran kaputtgehen und noch weniger habe ich vor, dir in irgendeiner Weise wehzutun, also lass uns bitte einfach versuchen mit der Vergangenheit abzuschließen und unser wahres Glück in der Zukunft zu finden.“ Sie zitterte am ganzen Körper und es fühlte sich an, als würde ihr Herz Blut durch ihre Adern pumpen, welches so kalt war, dass sie innerlich fror. Es war ihm bewusst, dass eine dauerhafte Beziehung nicht funktionieren würde und trotzdem schmerzten ihre Worte mehr als tausend Messerstiche.
Es hatte noch nicht einmal richtig angefangen. Und schon war es vorbei. Sie hatten es sich zu einfach vorgestellt. Jeder Herzschlag, der für den jeweils anderen schlug, war nicht genug. Jedes Lächeln, welches sie sich auf ihre Lippen zauberten, reichte nicht. Jede Berührung, die Gänsehaut verursachte, war überflüssig. Alle Momente, teilweise Stunden oder Tage, waren weggeworfene Zeit, denn sie hatten sich trotz allem zu sehr verletzt. Sie wartete Stunden auf eine Nachricht von ihm. Er wartete, bis sie sich bei ihm meldete. Und so vergingen Momente, gefüllt mit Wut, Enttäuschung und Trauer. Sie weinte. Zuhause fragten seine Eltern, woher seine ständige schlechte Laune kam. Sie fand durch zu intensives Nachdenken keine Zeit mehr zu Essen. Er konnte nachts nicht mehr schlafen. Die Psyche der beiden war angeschlagen, ihre Nerven waren am Ende.
Er nahm ihre Hand und verschränkte ihre Finger ineinander. So saßen sie da und sahen sich in die Augen, in denen sie sich schon so oft verloren. „Ich hoffe, du wirst dein Glück bald finden. Ich weiß, dass ich meins jetzt gehen lassen muss.“ Seine Worte brachten sie zum Nachdenken. „Ich dachte auch eine Zeit lang, dass das hier unser Glück ist. Das wir uns gefunden haben. Aber sieh uns an, wir reden uns ein, glücklich zu sein, obwohl wir innerlich zerbrechen. Letztens habe ich ein Zitat gelesen: "Es gibt keinen Weg zum Glück. Glücklichsein ist der Weg. Wir müssen aufhören, nach einem Weg zu suchen. Ein Weg, den wir uns einbilden, wird niemals genug für uns sein.“ Dann ist sie einfach gegangen und nahm seine Gefühle und seinen Verstand mit sich. Er wollte nicht weinen, noch lachen. Er wollte auch nicht mehr atmen. Er wollte nicht, dass sein Herz weiterschlägt. Nicht wenn er ihren Herzschlag nicht mehr spüren konnte. Draußen war es kalt, aber er nahm die Kälte nicht mehr wahr. Da war nichts als Leere. Er ging einen Weg entlang, den er nicht kannte. Das Gefühl, glücklich zu sein, existiert jetzt nicht mehr. Vielleicht hat sie Unrecht und sie kennt den Weg zum Glück einfach nicht.
Sie hatte ihn angelogen, denn sie kannte ihren Weg zum Glück. Und sie ging ihn alleine. Ihr Verstand schrie sie an, nachzudenken. Sie zitterte und atmete hektisch ein und aus. Jeder neue Schritt, den sie ging, schmerzte. Dann blieb sie stehen. „Das ist mein Weg zum Glück,“ schrie sie in die Leere. Sie machte ihre Augen zu und ließ sich ins Glück fallen.
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