Genug der Ungenügsamkeit!
Er war ein armer Mann, gestrandet in einer Welt voller Habgier und Geiz. Das Bisschen an Geld, das ihm beschieden war, verdiente er mit seinen Büchern und Texten. Jeden Tag verbrachte er Stunden vor den mit alten Kram gefüllten Kartons, die ihm als Schreibtisch dienten, in seiner kleinen, dunklen Wohnung sitzend und schreibend. Und er lächelte jedes Mal.
„Warum suchst du dir nicht endlich einen vernünftigen Job?“, hatte ihn sein Vater, ein wohlhabender Bankier, einmal gefragt. Daraufhin hatte er ganz unverfroren geantwortet: „Kein Geld der Welt wäre je genug, um mich glücklich zu machen. Allein die Liebe schafft das. Die Liebe zum Schreiben.“
Das war das letzte Weihnachten, das er mit seiner Familie zusammen verbringen sollte.
Aber auch die Verbannung aus seinem engsten Kreis vermochte es letztlich nicht, ihm seines Lächelns zu berauben. Eines Nachts, als er wieder einmal durch die Eiseskälte des Dezembers durch den Park wandelte, über seine Texte nachdenkend und sich selbst genug, erspähte er eine einsame Gestalt, auf einer Parkbank im milden Schein einer Laterne sitzend. Im Gegensatz zu ihm in schicke Kleidung gehüllt, die ihn wohlig warm halten und zugleich gut aussehen lassen sollte. Ein Anzug unter der dicken Jacke, eine teure Uhr ums Handgelenk gelegt und mit edlen Schuhen an seinen Füßen saß der junge Mann einfach da und starrte ins Nichts, während Tränen, von leisen Schluchzern begleitet, aus seinen Augen quollen. In seinen Lumpen schritt er auf ihn zu und setzte sich daneben. „Für wen ist das?“, fragte er den Mann, auf eine kleine schwarze Schatulle in dessen Hand deutend. Erst jetzt registrierte der junge Geschäftsmann den lächelnden Fremden wirklich und schaute ihn ganz verdutzt an, bevor er antwortete: „Für meine Freundin. Ex-Freundin.“
Resigniert blickte er zu Boden und beklagte sich darüber, wie er sie mit einem anderen Mann bei sich Zuhause erwischen musste, gerade als er ihr mit dem Ring aus der Schatulle einen Heiratsantrag machen wollte. „ Ich würde zu viel arbeiten und hätte zu wenig Zeit für sie, meinte sie immer. Aber es hat ihr doch auch gefallen, dass sie sich immer alles kaufen konnte, was sie wollte!“, erklärte der Niedergeschlagene und blickte den nun weniger Lächelnden fragend an.
„Was ist Vermögen schon ohne die Liebe? - Es ist die Liebe, die uns Menschen wirkliche Genugtuung verschafft und daher von wahrem Wert ist. Geld kann diese pflegen, im falschen Maße aber allzu leicht zerstören. Solange wir nicht erkennen, was oder wer diese Liebe, dieses einzig Genügende, für uns verkörpert, können wir kein echtes Glück im Leben erfahren – nicht mit allem Geld der Welt. Erkenne, was dir genügt, und beschreite den Weg der Genugtuung, auf das du das Leben selbst als genügend erfahren kannst.“. Und der junge Mann lief entschlossenen Schrittes, die Schatulle fest in der Hand, davon.
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