GENUG GELACHT
Eigentlich hatte ich vor, nach dem Läuten, das die nächste Unterrichtsstunde ankündigen sollte, regelgemäß in meine Klasse zurückzukehren, jedoch entschied ich mich spontan noch etwas auf dem Schulhof zu bleiben.
Meine Freundinnen gingen vor und als sie außer Sichtweite waren verschwand ich hinter der nächsten Ecke. Hier hatte ich mich schon oft versteckt, denn ich wusste genau, dass hier keine Überwachungskameras positioniert waren. Ich bückte mich und kramte ein kleines Buch aus meiner Schultasche, blätterte es auf und suchte meine Lieblingsseite. Das kleine „Witzebüchlein“ hatte ich von meinem Vater, er von seinem Großvater und so wurde es über viele Generationen weitergegeben.
Heute ist alles anders. Wir leben im 31. Jahrhundert, genauer gesagt Ende des Jahres 3015, doch die menschliche Gesellschaft hatte sich weit zurückentwickelt. Jeder in dieser Stadt hat bestimmt schon einmal diese seltsamen Worte „Lachen“ oder „Bücher“ gehört, doch keiner wusste wirklich, was sie bedeuten sollten. Ich hätte alles dafür gegeben, ein Leben vor tausend Jahren zu führen. Man erzählte sich Legenden, dass es eine Welt gab in der man lachen konnte, schreien durfte, oder es erlaubt war, sich zu freuen ohne danach eingesperrt zu werden und sterben zu müssen. Man hörte sogar in einigen Geschichten, dass es vor unserer Zeit unendlich viele Bücher gab. Im Hier und Jetzt regiert eine gefährliche Gemeinschaft aus Robotern, sofern man dies als Gemeinschaft bezeichnen konnte. Vor einigen Jahren haben sie alles Licht in dieser Welt ausgelöscht, man hat den Menschen eingeredet, dass Lachen eine Art Virus oder Krankheit wäre. Lächeln und Kichern sei ansteckend, zerstört und zerfrisst unser Gehirn von innen. Die Leute waren eingeschüchtert und unterwarfen sich ängstlich den neuen Vorschriften der Regierung, denn auch die Bücher würden früher oder später das Gleiche mit uns tun, flößten sie den Menschen ein. Es hieß, dass schreckliche Geschichten in ihnen steckten und sie machten der Bevölkerung klar, dass Bücher uns zum Untergang der Menschheit führen würden.
Ich blätterte also das Witzebuch durch und da war er, der Witz auf Seite 25 gefiel mir am besten. Ich las ihn und musste zu lachen beginnen. Erschrocken hielt ich inne und mir gleichzeitig die Hand vor den Mund, doch als ich nach wenigen Momenten begriff, dass ich mich gut dabei gefühlt hatte, probierte ich es erneut und diesmal so kräftig es nur ging. Das Lachen klang fröhlich und kindlich. Es schallte durch den ganzen Schulhof und ich hoffte, dass jeder es hören und sich erinnern konnte, wie wundervoll es klang.
Mein Ziel für das nächste Jahr 3016 hatte ich mir bereits vorgenommen: Ich war fest davon überzeugt, diese graue, leblose Gesellschaft, die vergessen hatte, wie es sich anfühlt fröhlich und glücklich zu sein, wieder zum Lachen zu bringen, denn genug ist genug! Ich hatte etwas das keiner hatte. . .
EIN BUCH
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