Genug um etwas zu bewirken
Ich durchbreche die Oberfläche und ernte ungläubige Blicke. Sie hätten wissen müssen, dass ich irgendwann überquelle, dass der Versuch alles in mich, hinter mich, unter mich zu schieben nur temporär die gewünschte Wirkung erzielen würde. Dass da nicht so viel Platz ist in meinem Bauch, in meinem Herz, in meinem Verstand. Dass der Kreislauf des Lebens darin besteht alles zu inhalieren und wieder auszuatmen. Dass genug genug ist um etwas zu bewirken.
Ich werde vor Gericht gezerrt und während ich beobachte wie sich jeder gegenseitig völlig irrationale Schuldzuweisungen macht, richtet sich plötzlich jemand auf, zeigt mit seinem nackten Finger auf einen angezogenen Menschen. Die richtige Debatte beginnt erst jetzt; sie betten mich in schwarze Schafswolle, die sie sich selber wie Feder ausreißen. Mir das Gewicht der Schuld auf die Schultern zu legen, scheint die einzig logische Conclusio zu sein. Was ändert das Urteil am Geschehen? Ich kotze weiter Wörter auf die Tastatur, weil in Wellen mein Kopf überschwemmt wird, aber meine Glieder werden nur schwerer, die Last größer.
Plötzlich ist es genug. Mein Verstand erkennt, dass der Versuch mich für mich zu behalten, sich letztlich gegen mich gerichtet hat und dass sich selber folge zu leisten vielleicht egoistisch ist, aber der Versuch sich einzusperren nicht.
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht mal mehr warum ich an jenem Tag zusammen gebrochen bin, warum alle Empfindungen, an die ich mich bisher geklammert hatte, aus mir zu fließen schienen. Auf einmal war alles so unklar klar und wie aus dem Nichts wurde mir die Schwere bewusst. Ich weiß nur, dass der Fakt, dass du meine Hand nicht halten wolltest dabei eine nicht ganz unwichtige Rolle gespielt hat.
Ich dachte dir genug Gewicht beigemessen zu haben als ich deinen beißenden, süßlichen Geruch einatmete und ihn Teil meines Blutkreislaufes werden ließ. Meine Berechnungen hatten nie hervorsehen können, dass du ein Eigenleben in mir entwickeln und insgeheim Gefühle in mir heranzüchten würdest, die in mir den Wunsch entfachen mich einfach treiben zu lassen und mich nicht unter meinem Teppich aus Gleichgültigkeit und Kontrolle zu verkriechen. Aber es gibt zu viele Felsen an denen ich zerschellen kann und deshalb entscheide ich mich für einen Aderlass. Du fließt nicht ab und bist auf einmal ein Teil meiner selbst, den ich nicht wegschneiden kann. Und ich verstehe, dass ich nicht vor dem wegrennen kann, was in mir schlummert und dass der einzige Weg mit dir in Koexistenz leben zu können darin besteht auszubrechen.
Aber meine Hand willst du immer noch nicht und deswegen kann ich mich nur den Erinnerungen unterwerfen, in denen du sie noch wolltest. In denen du mich schön nanntest, mich hin und her wiegtest, mich zusammen hieltest. Ich vermisse die Zeit in der du keine Selbstkontrolle hattest. Ich hoffe, dass auch du irgendwann genug von diesem Versteckspiel hast und dich das dazu treibt, die Oberfläche zu durchbrechen.
Es ist genug um mich warten zu lassen.
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