Genug vom Unglück
Jeden Tag schien es, als hätte ich das Pech gepachtet. Als wäre es Schicksal, dass mir immer wieder Dinge passierten, die nicht hätten sein sollen. Und nicht nur ich war davon betroffen, nein, auch alle Menschen um mich herum schienen an meiner Unglückssträhne teilzuhaben. Kleinen Kindern, an denen ich vorbeiging, fielen die Eiskugeln aus der Waffel, dem Zeitungsverkäufer flogen seine Tagesblätter davon, obwohl kein Wind wehte, der Strom fiel aus, weil ich an einer flackernden Laterne gestanden hatte. Obwohl das alles auch hätte Zufall sein können, passierte es doch nur, wenn ich in der Nähe war. Natürlich fühlte es sich nicht toll an, das Pech aller zu sein, aber bis zum heutigen Tage hatte ich nie wirklich die Chance gehabt, etwas dagegen zu unternehmen. So könnte man durchaus meinen, dass ich, Corey Cloud, die Erzfeindin des Schicksals war. Unter meinem Fuß schmatzte es, sodass mir sofort alle meine Gedanken wieder entfielen. Wie sollte ein Montag auch besser starten, als mit einem gezielten Tritt in einen Kaugummi? „Verdammter. . .“ Während ich einige nicht sehr schmeichelhafte Worte an den Kaugummi richtete, den das nicht wirklich zu kümmern schien, da er beharrlich kleben blieb, nahm das Pech schon seinen Lauf. „Hey, Cloud, schon wieder in etwas reingetreten?“ Ich kniete auf dem Bürgersteig, den Schuh in den Händen, und sah höchstwahrscheinlich nicht besonders elegant aus. Ausgerechnet Talish Brown wurde mir vom Schicksal geschickt, der Typ, den ich schon jeden Tag an der Uni ertragen musste. Also fiel meine Reaktion auch entsprechend aus. Er kam zu mir hinüber, auch wenn es das Letzte war, was ich wollte. „Hast du nicht langsam genug davon, immer der Pechvogel zu sein?“, fragte er und nahm mir den Schuh aus der Hand. Meine Augen wurden groß, als ich Talish ansah. Was war denn mit dem los? Fielen ihm keine gemeinen Bemerkungen mehr ein? Mein Inneres verkrampfte sich. Seit jeher hatte ich nie Freunde gehabt, denn keiner war so blöd, die Missgeschicke, die mich verfolgten, noch auf den Zufall zu schieben. Also hatte in meiner Klasse die unsichtbare, goldenen Regel gegolten: Stell dich nicht neben Corey, sonst trittst du in etwas, bekommst was auf den Kopf oder vielleicht regst du dich dann gar nicht mehr. „Bitte sehr.“ Nur noch ein dunkler Fleck markierte, wo der Kaugummi an meiner Sohle geklebt hatte. Mit zusammengebissenen Zähnen griff ich nach dem Schuh, aber Talish hielt ihn aus meiner Reichweite. „Wie wäre es mit einem Danke?“ Wollte er mich jetzt ehrlich zappeln lassen? Ohne es richtig mitzubekommen begann ich zu reden, zu schreien: „Ich habe genug! Ich habe verdammt nochmal genug vom Pech, von mir selbst und vor allem von dir! Glaubst du, dass es mir Spaß macht, jeden ins Unglück zu stürzen? Glaubst du, das wäre mein Hobby? Aber wenn du das unbedingt brauchst, um deinen kleinen, beschränkten Geist zufrieden zu stellen, dann danke ich dir vielmals!“ Ab heute war es wirklich genug, das schwor ich mir und Talish würde mir dabei helfen.
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