Genug von allem
Hallo, mein Name ist Lauren und ich bin 18 Jahre alt. Ich sitze gerade auf meinem Fensterbrett und denke an meine Kindheit zurück. Ich war ein sehr glückliches Kind und wuchs in ziemlich reichen Verhältnissen auf. Alles schien perfekt, doch dann, an einem Tag, der mir immer in Erinnerung bleiben wird, veränderte sich mein Leben schlagartig. Am 15. August 2013 bekam ich die Diagnose Krebs. Ich war 15, noch viel zu jung für eine solche Krankheit. Meine Welt stand nun auf dem Kopf. Jeden Tag schwebten mir die gleichen Gedanken im Kopf herum. Ich wusste nicht, welche Art von Krebs es sei, und meine Eltern und die Ärzte wollten es mir auch nicht sagen. Ich musste eine Chemotherapie machen. Tagelang ließ ich mich von den Ärzten beraten und ich entschied mich für die Therapie. Nun war der Tag meiner ersten Behandlung gekommen. Ich wurde im Wartezimmer von einer Krankenschwester abgeholt. Am selben Nachmittag fuhr ich mit meiner Mutter nach Hause. Ich war sehr geschwächt und erschöpft. “Wie fühlst du dich?“, fragte mich meine Mutter. „Es geht mir gut“, erwiderte ich. Eigentlich ging es mir nicht gut, um ehrlich zu sein, ging es mir schrecklich. Ich wusste, dass ich nächsten Monat wieder in die Klinik musste. Ich hoffte bei jeder einzelnen Behandlung, dass es meine letzte wäre. Ich fühlte, wie die Chemotherapie meine gesunden Zellen angriff. Die Ärzte sagten, ich müsste noch einige Behandlungen durchführen. Auch wenn ich nicht wollte, dass sie mich noch weiter behandeln, lag ich doch jeden Monat erneut in der Klinik und ließ die Prozedur über mich ergehen. Ich lag tagelang im Bett und hatte nichts mehr gegessen. Jeden Tag liefen mir die Tränen die Wange hinunter. Seitdem ich an Krebs erkrankte, merkte ich eine gewisse Anspannung im Haus. Meine Eltern redeten kaum noch ein Wort miteinander. Schließlich ließen sie sich scheiden. Ich sprach jeden Tag zu mir und sagte, es sei alles meine Schuld.
Meine Haare fielen aus, bis ich schließlich eine Glatze hatte. Ich konnte mich nicht mehr im Spiegel ansehen. Mein bester Freund war nun eine Mütze. Ich schämte mich so für meinen kahlen Kopf, dass ich mich nicht mehr aus meinem Zimmer traute. Ich war ausgehungert. Den ganzen Tag saß ich am Fensterbrett und starrte in die Nachbarschaft. Ich war alleine, die Welt um mich herum war grau, einsam und kalt. Jeden Tag hatte ich die gleichen Gedanken. Warum? Weshalb? Wieso? Ich hatte genug vom Leben, genug von Chemotherapie. Ich beschloss, mit der Therapie aufzuhören. Ich hatte genug vom Leiden, genug von allem. Ich hatte schon oft daran gedacht, mich umzubringen. Ich ging zu einer Psychiaterin, die mir immer einredete die Therapie zu beenden. Einerseits hatte sie Recht, doch andererseits hatte ich Angst, große Angst.
Nun, nach etlichen Behandlungen, sitze ich wieder auf meinem Fensterbrett. Geheilt. Ich bin wieder frei, kann wieder leben und glücklich sein. Alles ist perfekt und ich kann mein Leben so weiterleben, wie ich es möchte. Ein Leben ohne Krebs.
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