Gespaltene Seele
“Komm schon. Ich weiß du willst es”, flüsterte Linda Max ins Ohr. Sie standen an der Kassa und Max legte gerade die Chipstüte auf das Band. Vor ihnen stand eine alte Dame und zahlte. “Töte sie”, flüsterte Linda. “Sei still! ”, brüllte Max, daraufhin. Die alte Frau und die Kassiererin schauten zu ihm. Er lächelte nur schief und kratzte sich am Hinterkopf. Die alte Dame schüttelte den Kopf, sagte aber nichts mehr. Genauso tat es Linda spöttisch. Max atmete tief durch. Sein ganzer Körper schwitze und er hatte seit Tagen Kopfschmerzen.
Linda, seine beste und einzige Freundin, wollte ihn dazu bringen, jemanden umzubringen. Er jedoch weigerte sich und wollte nicht nachgeben. Langsam wurde es aber zu viel.
Zuhause angekommen, legte er die Chips aufs Bett neben Linda, die dort schon saß und grinste. Max, der sich ebenfalls ins Bett setzten wollte, fing an, etwas hysterisch zu atmen, und ging deshalb ins Bad. Hinter sich sperrte er schnell die Tür zu und ging zum Spiegel. Er betrachtete sein Gesicht. Es war verschwitzt, verängstigt und verstört.
Plötzlich fing sein Spiegelbild an zu grinsen. Max war sich nicht sicher, ob er es auch tat oder nicht, und fasste sich blitzschnell mit der Hand ins Gesicht. Nein, er selbst grinste nicht. Da tauchte ein Schatten hinter ihm im Spiegel auf. Es war Linda, die ebenso wie sein falsches Spiegelbild grinste. “Lass uns jemanden töten”, sagten sie beide gleichzeitig. Max schrie auf, formte seine Hand zu einer Faust und schlug mit dieser den Spiegel ein. Sofort verschwand Lindas und sein falsches Spiegelbild.
Nun sah Max sich selbst in vielen Teilen, vom zerbrochenen Spiegel. Er atmete auf und drehte sich um. Nicht einmal eine Armlänge von ihm entfernt stand Linda. Max schielte zur Tür. Sie war zu, das Schloss umgedreht, und dennoch stand Linda direkt vor ihm. “Töte jemanden mit mir”, flüsterte diese. “Nein! Verschwinde! ”, schrie Max und hielt sich mit beiden Händen an den Kopf. Er kniff die Augen zusammen und hoffte, dass, wenn er sie aufmachte, Linda verschwunden war. Hören konnte er nur das Blut in seinen Händen rauschen.
Nach einer Weile, in der sich Max beruhigt hatte, öffnete er langsam die Augen. Sie war weg. Linda war weg. Langsam schlurfte Max aus dem Bad wieder in sein Zimmer, um die Chips, die er gekauft hatte, zu essen, doch er erstarrte, als er ins Zimmer trat. Linda lag im Bett, hatte die Chipstüte aufgemacht und aß gelassen die gebratenen Kartoffelscheiben.
Zwar wusste Max, dass sie nicht echt war, sie war nur eine Einbildung, doch er konnte sie nicht aus dem Kopf bekommen. Sie verfolgte ihn. Jeden Tag. Überall hin. Überall, wo er war, war auch sie, und er konnte nichts dagegen tun. Ihr Wunsch war jedoch nicht seiner. Er wollte niemanden umbringen.
“Geh bitte”, flüsterte Max verzweifelt, und Tränen fingen an, aus den roten Augen über die dunklen Augenringe und schließlich seine Wange zu fließen. Linda grinste nur. Sie hatte nicht vor aufzuhören.
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