Gipfel
Jetzt frag ich mich, wie hats jeder mit der Philosophie? Ists immer gleich, ists immer anders?
In der Ferne reflektiert sich jeder rötliche Teil des Lichts und findet seinen Weg in mein Auge. Die Bäume ziehen sich wie eine Glasur über die Berge, weich flauschig, gar sanft stellen sich diese Erdmassen in den Raum. Vielleicht haben sich in meinem Kopf auch einfach zwei Schichten aneinandergepresst. So schön wie diese Naht zweier Erdplatten ists dann bei mir aber doch nicht geworden. War jetzt schon fast 3h unterwegs, die Baumgrenze lag noch weit vor mir. Die Höhenmeter pressten schwer auf meiner Brust, wogen mehr, mit jedem Schritt ein wenig mehr. In vergangener Zeit wäre ich schon längst am Gipfelkreuz. Spürte mein Bein nicht mehr, als ich vor einigen Jahren aus der Dusche stieg. Aus der Panik eines Schlaganfalls, wurde dann doch die Diagnose Bandscheibenvorfall. Habe aber jetzt diese sterilen Räume für ein Menschenleben schon zweimal zu oft gesehen, danach kann man ja nicht mehr von einem Leben sprechen. Infusion in der Früh, weiße Wand und Innenhof. Doch die Leichtigkeit dieses Vögelzwitscherns legte sich wie ein Schleier über jene Erinnerung. Vor mir tat sich eine Lichtung auf, der erste Aussichtspunkt über 1000m. Zwei Bänke, die über die Hügel des Landes starren. Ich und die Natur. Vereint nach langer Zeit, endlich vereint. Mit einem Atemzug war ich ausgehöhlt und nur mehr Hülle voller frischer Bergluft. Sie hob mich auf und flog mich diesen weiten Wogen entgegen. Mein Blick schweifte über all diese so ruhig belebte Natur. Dieser Stilbruch, im Denken sitze ich noch in dem weißen Gebäude und kriege die Diagnose, im Raum war ich schon längst nicht mehr dort. Das grell angenehme Licht war viel wärmer als jenes. Nein, da unten konnte man doch nicht sterben, wenn man nichts und niemanden hat. Nein, da unten konnte ich wahrhaftig nicht sterben. Gestern habe ich noch den Brief geschrieben, die passenden Worte versucht zu finden. Geschrieben habe ich lediglich in der Schule und da ist das Schreiben für mich auch geblieben. Jetzt sitze ich aber hier und bin nicht die Verantwortung irgendeines Briefes unten bei den Menschen. Die Berge haben mich wie so oft auch heute mit offenen Armen empfangen. In die märchenhafte Welt durfte ich eintauchen, sie lädt dich ein, wenn du zulässt, sie geschehen zu lassen. Heute noch viel besonderer als all die anderen Male, weil ich mich heute in ihr verewige, weil ich heute auch ein märchenhaftes Detail dieser Welt werde, für all die anderen zu genießen.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX