Gleichzeitig, ganz woanders
Sirenen heulen, lauter und lauter.
- Schritt, stehen bleiben, Atemzug.
Sirenen heulen, lauter und lauter.
- Schritt, stehen bleiben, Atemzug, der Boden ächzt, während er, so wie jeden Abend, langsam in die Küche geht.
Sie schreckt auf, neben ihr ihre Mutter, die zitternd ihren kleinen Bruder im Arm hält, er weint und auch ihre Augen füllen sich nun mit Tränen.
- Seine Hand greift wie in Zeitlupe nach dem Wasserkocher.
Hektisch steht ihre Mutter auf und beginnt alle Schubladen aufzureißen und zu durchwühlen, sie sucht irgendwas, aber was?
- Um ihn herum ist es ganz still, man hört nur das leise Rauschen des Wasserhahns, er lauscht dem Rauschen, während er zuschaut, wie sich der Wasserkocher langsam mit Wasser füllt.
Nun läuft ihre Mutter in die Küche, die Sirenen heulen immer noch und sie kann spüren wie die ganze Stadt in Unruhe und Hektik verfallen war.
- Er dreht das Wasser ab, die Stille ist so erdrückend, er beginnt leise , , La vie en rose‘‘ zu summen.
Jetzt kommt ihre Mutter aus der Küche gelaufen, in ihrer Hand hält sie fest umklammert einen Edding.
- Behutsam reißt er das Teepäckchen auf und zieht langsam das Säckchen heraus.
Hastig krempelt die Mutter den Ärmel und auch das Hosenbein ihres Bruders hoch, in großen Buchstaben schreibt sie auf die nackte Haut des kleinen Jungens seinen Namen, immer und immer wieder zieht sie die Buchstaben nach, sodass sie ja nicht verblassen würden.
- Er hängt das Teesäckchen in seine Tasse und schüttet behutsam das heiße Wasser darüber.
Immer noch heulen die Sirenen, sie heulen so laut, dass sie alles übertönen, alles außer die Angst, die sie alle überfallen hatte.
- Interessiert schaut er zu wie sich das Wasser langsam grün färbt.
Nun war sie dran, auch bei ihr krempelte die Mutter schluchzend den Ärmel und das Hosenbein ihres Pyjamas hoch, der Edding flog nur so über ihre Haut und hinterließ den dunklen Schriftzug ihres Namens.
- Sein Tee war mittlerweile vollständig grün eingefärbt.
Nachdem ihre Mutter sich hastig selbst beschriftet, greift sie schnell mit der einen Hand nach ihr und ihrem Bruder und mit der anderen nach dem Notfallkoffer, den sie Tage zuvor gepackt hatten.
- Er greift behutsam nach der bis zum Rand vollgefüllten Tasse, bedacht sie ja nicht auszuschütten.
Die Sirenen heulen immer noch, als sie Hand in Hand mit ihrer Mutter das Stiegenhaus hinunter läuft, sie drängeln sich hektisch an hunderten ängstlichen Menschen vorbei.
- Langsam geht er Richtung Schlafzimmer der Blick konzentriert auf seine Tasse gerichtet.
Die Menschen, die an ihr vorbei laufen sind alle mit ihren Namen beschriftet, sie alle hatten sich daran gewöhnt, das zu tun, um identifizierbar zu bleiben, falls "es" passiert.
- Er setzt sich vorsichtig auf sein Bett und trink seinen Tee, Schluck für Schluck.
Als sie endlich raus aus dem Trubel der Menschen sind, beginnt ihre Mutter zu laufen und sie läuft mit ihr.
- Er legt sich schlafen.
Sie rennt in die Nacht hinein.
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