Grundlos
Meine Hände zittern, mein Herz rast. Wieder und wieder gehe ich in meinem Kopf den Dialog von gerade eben durch. Währenddessen höre ich von unten das Geschrei: „Wer bin ich eigentlich? Ich muss arbeiten, alles zahlen und dann komme ich nach Hause und muss mir das anhören? Ich hab's so satt! Wenn das nicht bald funktioniert. . . !“, seine Stimme bricht am Ende des Satzes ab, vielleicht aus Wut. Eine Frauenstimme antwortet: „Ich habe nicht’s gemacht, hör auf so herumzuschreien!“. Man kann die Enttäuschung hören. „Es hat dir niemand was getan!“, fügt sie hinzu. „Was ist es? Du kommst nach Hause, alle sind freundlich und DU gehst grundlos alle an!“, sie ist verzweifelt- ICH bin verzweifelt. Was habe ich bloß falsches gesagt? Was habe ich bloß falsches gemacht? „Passt schon“, antwortet die andere Stimme beleidigt und abweisend. „Nichts passt schon, du hast ein echtes, ernsthaftes Problem!“, schreit sie. Seine Stimme klingt abwertend, als er ihr antwortet: „Ja vielleicht habt ihr eins! Hast du schon einmal daran gedacht?“
„Merkst du das nicht? Es ist genau so wie sie es gemacht haben! Es war nichts los und du schimpfst einfach darauf los! Was ist denn passiert, es war doch nichts! ?“ Sie scheint den Tränen nahe zu sein, ich drücke mich noch mehr gegen die Wand der Ecke in der ich sitze, ziehe meine Beine an und versuche einen Schluchzer zu unterdrücken. „Sie braucht nicht so blöd zu lachen, ich hab's genau gesehen!“, bricht es auf einmal aus ihm heraus. Ich glaube ich kann meinen Ohren nicht trauen, was hat er da gerade eben gesagt? Ich presse mein rechtes Ohr an meine Zimmertür, um das Streitgespräch besser mitverfolgen zu können. „Sie liebt ihn und sie hat das nicht böse gemeint!“, werde ich verteidigt, wohl umsonst: „Ich habe das genau gesehen!“
„Du hast nichts genau gesehen! Du suchst die ganze Zeit nur nach irgendwelchen Gründen! Entweder sind es die Schuhe und die Laute, oder die Blicke, oder die Töne. . .“. Wie ich atme, wie ich gehe, wie ich esse- alles ist falsch, oder irgendwas passt nicht. „Ja passt, passt, passt. . .“. Er versucht dem Gespräch zu entweichen, er will gehen, ich höre die Schritte. „Jetzt hör endlich auf! Nichts passt! Mir reicht’s!“, brüllt sie ihm nach.
Plötzlich verschwimmt alles vor meinen Augen.
Tränen.
Immer bin ich an allem Schuld, immer streiten sie wegen mir.
„Was für Konsequenzen?“, schreit sie verzweifelt. Das was er davor gesagt hat, konnte ich nicht verstehen. „Ich bleibe einfach bis 10 am Abend im Büro und gehe dann gleich schlafen!“. Eine Tür knallt ins Schloss, sie weint, ich kauere immer noch in der Ecke meines Zimmers.
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