Gulasch und Seeforscher
Mehr Pfeffer. Und ein bisschen Paprikapulver. Aber sonst perfekt.
Herr Laurenz rührte in großen Kreisen im Eisentopf herum und wurde beinahe verlegen, peinlich berührt vom Stolz auf eine so kleine Errungenschaft. Man lernte ja doch nie aus. Und seitdem er seine Enkelin nicht mehr vom Kindergarten abholen musste, blieb ihm viel mehr Zeit zum Neue-Dinge-Lernen.
Er schreckte aus seinen Gedanken als die Tür mit einem gewaltigen Knall ins Schloss fiel.
„Argh!“, lautete die Begrüßung, bevor im Treppenhausgeraschle die Schultasche mit lautem Schnaufen in eine Ecke gepfeffert wurde. So schnell konnte Herr Laurenz nicht schauen, wie ein blonder Wirbelwind plötzlich an ihm vorbeigeflitzt und in seinem großen Lesesessel zusammengesackt war.
„Na holla“, brummte er und balancierte den Holzlöffel behutsam auf den Henkel des Kochtopfs, bevor er sich umwandte, „Schönen guten Tag, Laura“
„Pah!“, stieß sie nur hervor und schoss im Lesesessel hoch, die hellen Augen funkelnd vor Ärger, „Das war furchtbar heute in der Schule, furcht-bar. Hast du gewusst, dass es keine Seeforscher gibt? !“
Herr Laurenz runzelte die Stirn.
„See-was?“
„See-forsch-errrrr“, wiederholte sie, das „r“ besonders gründlich im Hals rollend, „Die die Meere entdecken und die Fische und so“
Herr Laurenz nickte langsam.
„Verstehe. Wer sagt, die gibt es nicht?“
„Na die anderen“, spie sie und plusterte sich auf wie eine Henne, „Die sagen, das ist kein Beruf, kannst du dir das vorstellen? ! Dabei haben Max und ich ausgemacht, dass wir Seeforscher werden“
„Na Moment mal, was ist denn aus Krankenschwester geworden?“
„Welcher Krankenschwester?“
„Na, du wolltest doch auch Krankenschwester werden, wie deine Mama.“
„Ach das“, Laura zog eine Schnute und schnaubte abfällig, „Das war doch als ich noch ein Baby war.“
Sie seufzte und rutschte aus dem Sessel auf ihre Füße.
„Dann muss ich eben wo hingehen, wo Seeforscher ein Beruf ist. Und Max nehme ich mit.“
„Oje, da wird deine Mama aber todunglücklich sein. Und ich auch.“
Laura hielt inne, dann schlang sie die Arme tröstend um den Bauch ihres Opas.
„Ihr könnt ja auch mitkommen! Wir brauchen sowieso eine Krankenschwester und du könntest kochen…“
Beim Schlagwort lugte sie verstohlen unter seinem Arm durch und bevor Herr Laurenz auch nur ein mahnendes Wort aussprechen konnte, saß sie schon auf der Küchentheke und riss den Deckel vom Topf.
„Was ist das? Gulatsch?“
„Jawoll.“
Laura beugte sich tief über den Topf.
„Aber das normale, ohne Gemüse und grünem Zeugs, oder?“
„Natürlich. Schau nicht so, du hast es ja selbst gesehen! Kein Fitzelchen Gemüse ist da drinnen. Ausnahmsweise, aber du musst alles aufessen, damit die Gesundheitspolizei uns nicht draufkommt.“
Lauras Kopf schnellte zu ihm hoch.
„Die Gesundheitspolizei? ! Die kommt hierher, in dein Haus? Wer soll denn das sein?“
„Na deine Mama natürlich. Und die ist schlau wie ein Fuchs, deshalb müssen wir alle Beweise vernichten.“
Laura lugte noch einmal in den Gulaschtopf und lachte.
Na bitte, die Seeforscher waren vergessen. Herr Laurenz lachte mit.
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