Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?
Haben Sie das schon erlebt? Der Duft dieser Stadt bei Nacht, die Geräusche, die Lichter. Straßenbeleuchtung, Laternen, die gedämpften Lichter, die durch die Fenster scheinen. Sie lassen mich nicht besser fühlen. Natürlich hielt ich die ganze Zeit meinen Schlüsselbund in der Faust. Selbstverständlich nahm ich die meist beleuchteten Wege. Ohne Frage ist das Zopfgummi raus und die Kopfhörer aus.
Da steht eine Gruppe von Männern. Straßenseite wechseln. Soll ich nach unten schauen, wegschauen, gerade nach vorne, selbstbewusst ihnen direkt in die Augen oder soll ich einfach laufen, bis sie aus meiner Sicht verschwinden? Ein kurzer Blick zur Seite. Sie glotzen mich an, von oben bis unten. Sie grinsen und lachen, dieses widerliche Lachen. Ich gehe schneller an ihnen vorbei und spüre die Augen die an mir kleben, die Finger die auf mich zeigen.
Ich wechsel wieder zurück auf die andere Straßenseite und biege um die nächste Ecke. Aus der Ferne sehe ich die Scheinwerfer eines Autos. Es kommt näher. Bremst es? Mit dem Blick stur nach vorne werde ich schneller. Es fährt vorbei. Ich atme einmal erleichtert aus. In der nächsten Gasse ist eine Bar, dort sollten mehr Menschen sein.
Tatsächlich stehen ein paar vor dem Club. Allesamt alles andere als nüchtern, trotzdem würde sich irgendwer hier wohl um Schreie sorgen. Aber ich muss weiter gehen.
Ein Typ in Jeans und dunklem Hoodie, der mit anderen vor der Tür der Bar stand und raucht, kommt auf mich zu. Ich gehe einfach weiter, aber er holt mich ein und geht dicht neben mir.
„Ich begleite dich. Ist gefährlich für so ein Mädchen allein.“, sagt er mir.
„Nein! Lass mich in Ruhe.“
„Nicht so unhöflich. Ich pass auf, dass dir nichts passiert und dafür –„
„Nein! Lassen Sie mich alleine!“ Ich bin stehen geblieben, um in der Nähe der Bar zu bleiben. Die Musik und andere Geräusche des Feierns sind noch im Hintergrund zu hören. Ich sehe es schon, gleich hält er mich fest. Ich mache eine großen Schritt zurück.
„Ok, ok. Stell dich nicht so an.“, sagt er, bevor er sich umdreht und zurück zu den anderen schlendert. Im Laufschritt gehe ich weiter. Hinter der nächsten Ecke kommt mir plötzlich ein Mann entgegen. Er geht so weit außen, dass ich zwischen ihm und der Wand durch muss. Er lächelt mich an…und geht einfach weiter.
Als die Musik nicht mehr in Hörweite ist, bemerke ich ein anderes Geräusch. Schritte. Hinter mir. Ich drehe mich um, nur schnell, und erhasche eine Figur. Atmen ist für meinen Körper jetzt zweitrangig. Ich gehe schneller, die Figur auch. Ich gehe über die Straße, er folgt. Dabei erkenne ich Jeans und einen dunklen Hoodie.
Er ist vielleicht ein paar Meter hinter mir. Hört mich hier wer? Ich wäre gleich zu Hause, aber ich kann ihn nicht zu mir nach Hause führen und vor der Tür stehen bleiben, um sie aufzusperren.
Ich höre ihn schon Atmen. Ich renne. Über die Straße. Wohin jetzt? Zurück zur Bar? Im Kreis um den Block? Wo könnten andere Menschen sein? Wo ist mein Handy? Ich habe keine Zeit zu überlegen. Keinen Augenlick mehr.
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