Happy Birthday
Es war der Song Happy Birthday der mir zwei Dinge klar machte: Erstens, der Text war viel zu einfach um als Song durchgehen zu können und zweitens: Ich hatte wieder einen dieser Augenblicke.
So etwas passierte mir öfters, ich erlebte alltägliche Momente und aus dem Nichts breitete sich dieses Gefühl in mir aus. Als könnte ich auf einmal an der Gefühlswelt von jemandem teilhaben, der gerade einen wichtigen Augenblick erlebte. Ich konnte nicht einmal sagen, ob es ein glücklicher, oder ein trauriger Moment war, alles, was ich fühlte, war dieses übermächtige Gefühl der Wichtigkeit.
Diesmal geschah es, als ich mit meinen Freunden etwas essen war, im Brennpunkt der österreichischen Kultur, beim Italiener. Gerade als ich ihnen zeigen wollte, wie die echten Italiener Nudeln aßen, ertönte vom Nebentisch die Melodie von Happy Birthday.
Obwohl das wohl kaum als Melodie durchgehen konnte. Es glich eher einer Eigeninterpretation eines schwerhörigen Komponisten, dirigiert von einem durchsichtigen Dirigenten. „Auf das du in 28 Jahren nicht mehr so gut aussehen wirst!“, toasteten die Anwesenden dem Geburtstagskind zu. Den Namen der Frau vergaß ich sofort wieder. Alles woran ich denken konnte, war, ob dieser wichtige Moment wohl ihrer war, ob sie ihn wertschätzte und was sie sich beim Ausblasen ihrer Kerze gewünscht hatte.
Eine ihrer Freundinnen kramte ein Fotobuch aus ihrer Tasche und begann es durchzublättern. „Gut hast du dich entwickelt seit der Volksschule!“, meinte der Mann links von ihr und klopfte dem Geburtstagskind auf die Schulter.
So lange kannten sie sich schon! Ich schielte über den Pasta-Berg auf meinem Löffel zu meinen drei engsten Freunden. Zwei davon kannte ich ebenfalls seit der Volkschule. Ob wir mit 28 auch noch so gut befreundet sein würden? Mit der Zeit war der Kontakt zu meinen fünf Freunden aus dieser Zeit beinahe abgerissen. Irgendwie schien sich mit jedem meiner Lebensabschnitte mindestens eine Freundschaft aufzulösen…Nicht, dass das Ganze ein Wettbewerb wäre, aber manchmal fühlte es sich einfach an wie ein Countdown, der alle vier Jahre um mindestens eins nach unten zählte. Sechs, fünf, drei, …Wann wäre ich bei eins? Wäre ich an meinem 28. Geburtstag dann schon auf null?
Vielleicht lag es ja allein an mir, offenbar war ich einfach kein Mensch, mit dem man sich leicht anfreunden konnte, schlecht im Smalltalk, schlecht im Deep Talk, bloß gut in Dingen, die nicht hilfreich waren. Dabei war alles, was ich wollte, am Ende meine Kerze nicht allein auspusten zu müssen!
Als die Geburtstagsrunde noch ein letztes Mal Happy Birthday anstimmte, wurden mir zwei weitere Dinge klar: Erstens, ich würde alles dafür tun, dass diese drei, die heute als einzige auf meine Nachricht reagiert hatten, dabei waren, wenn ich die Kerze an meinem 28. Geburtstag auspusten würde. Zweitens, vielleicht war das hier gar nicht der wichtige Augenblick der Frau am Nebentisch gewesen. Vielleicht war das hier mein Augenblick, um zu genau dieser Erkenntnis zu gelangen.
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