Herbstwind im Wandel
„Lass dich nie wieder bei mir blicken!“ Und zu ist die Türe.
Noch recht verwundert und irritiert nehme ich die schweren Kartonkisten und setze mich auf die kalten Stiegen vor dem Haus. Eine sanfte Brise weht mir um die Ohren und in meinen Augen sammeln sich Tränen. Was habe ich falsch gemacht? Wie könnte es nur dazu kommen? Was, wenn es anders gelaufen wäre? Was, wenn wir uns nie kennengelernt hätten. Was wäre dann anders?
Ich hätte nie ihre wunderbaren Freunde und ihre Familie kennengelernt, die mich so herzlich aufgenommen haben. Niemals wäre ich bei den berühmt-berüchtigten Spieleabenden dabei gewesen. Nie wäre ich über meinen Schatten gesprungen und hätte Bananen-Eis mit Pistazien probiert, was jetzt mein Lieblingsdessert ist. Ich hätte niemals eine Nachtwanderung im Pyjama gemacht, nur weil es sternenklar war und so schneller ging. Nie, niemals, hätte ich erwartet, dass ich jemanden so sehr lieben könnte.
„Lass dich nie wieder bei mir blicken!“ Und zu ist die Türe.
Was für ein Idiot! Das kann doch nicht sein Ernst sein! Wegen ihm habe ich meine wertvolle Freizeit mit Unsinn verbracht, anstatt zu lernen. Nur wegen ihm habe ich so getan, als ob mir Bananen-Eis mit Pistazien genauso gut schmeckt wie ihm. Nur wegen ihm habe ich dumme Sachen gemacht. Was hat er je für mich getan? Das hätte nicht länger funktionieren können. Aber-…was wenn doch? Was wäre, wenn ich ihm einfach gesagt hätte, was mich so sehr beschäftigt, anstatt mich darüber im Stillen aufzuregen? Was, wenn alles gutgegangen wäre? Was, wenn ich glücklich wäre? Und zwar mit ihm! Oh, Himmel! Wie konnte ich nur so dumm sein? Ich liebe ihn doch so sehr!
Ich lasse meine Tasse fallen und stürme hinunter. Bitte lass ihn noch da sein! Ich wünsche mir nichts mehr. Bitte, dass er es sich doch anders überlegt hat und den Sturkopf in mir nicht so einfach aufgeben würde. Schnell reiße ich die Türe auf und sehe…nichts. Keine Menschenseele ist in der Umgebung unterwegs. Kein Herbstblatt wird vom Winde verweht. Kein Hauch von Liebe oder Hoffnung ist in der Luft. Verzweifelt laufe ich die Straße runter und bleibe vor dem Bahnhof stehen. Da ist er.
Da bin ich. Langsam gehe ich ins Gebäude zum Bahnsteig, wo mein Zug nach Hause schon auf mich wartet. Herzgebrochen und alleine. Ich wusste doch, dass es so kommen würde. Ich dachte, sie wäre dir richtige gewesen. Ich war mir so sicher. Es versetzt mir einen Stich ins Herz, wenn ich daran denke. Es war doch Liebe, oder? Oder habe ich mir das alles nur eingebildet? Was, wenn das alles nur eine große, zum verzweifeln echt-wirkende Lüge war? Damit muss ich mich jetzt wohl abfinden müssen. Manchmal braucht man eine Hürde, um wieder an seinen Platz zurück zu finden. Manchmal funktioniert es einfach nicht so, wie gedacht. Manchmal, sind es nur die Augenblicke, die einem in Erinnerung bleiben und die Person zieht an einem vorbei. So wie der Herbstwind kommt, so geht er auch wieder. Langsam und leise.
Es ist zu spät. Der Herbstwind ist im Wandel. Und wir sind es auch.
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