Herr M.
„Geh.“
„Was?“
„Geh. Jetzt. Nimm deine Sachen, und geh.“
Er starrt mich an. „Warum?“
„Du bist ein Idiot. Du bist so ein gottverdammter Idiot, M. Wenn du dir selbst bloß zuhören könntest, M, dann wüsstest du, wie verdammt ignorant du bist. Jetzt verschwinde.“
„Nein. Sag mir, was habe ich gemacht, hm? Warum bist du so zickig?“
„Ich bin nicht zickig“, ich drücke ihm seine Sachen in die Hand, „ich realisiere, wie bescheuert und unfreundlich du bist. Verschwinde, jetzt sofort.“
„Nein, solange du mir nicht sagst, warum du so blöd tust. Ihr Mädchen habt doch alle solche bescheuerten Minderwertigkeitskomplexe. Jetzt sag, was ist los mit dir, oder traust du dich nicht?“
Er lächelt. Unfassbarer Weise lächelt er mich an.
„Du akzeptierst mich nicht, du Trottel. Das ist los. Du verstehst es nicht. Und red‘ nie wieder so über Mädchen, wenn du nicht einmal den Unterschied zwischen Rassismus und Sexismus kennst. Jetzt verschwind‘ endlich! Ich will dich nicht mehr seh’n.“
„Nein. Du bist so eine dumme Kuh. Denkst ernsthaft, das Feminismus etwas bringt. Ihr seid so naiv, ihr Mädchen.“
„Ich bin kein Mädchen!“, schreie ich, „und ich will“, meine Stimme fängt an zu zittern, „dass du jetzt gehst. SOFORT“
Er starrt mich an. Ich starre zurück. Halte meine Mittelfinger hoch. Sein Lächeln verschwindet. Er hört auf, mich anzustarren. Er dreht sich um. Er geht. Er dreht sich noch einmal um.
„Du wirst nichts erreichen in deinem beschissenen Leben.“
„M“, sage ich. Ich lächle. „Ich wünsche dir nicht den Tod, bloß bitterliches Versagen.“
Und ich weiß, was ich hiermit angerichtet habe. Und er geht. Er geht. Endlich. Er geht.
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