Hoch oben kann man eben auch tief fallen
„Komm runter“, sagte sie nur. Ihr Blick war etwas kalt und sie stellte die Schüssel so abrupt ab, dass etwas Milch überschwappte. „Wer kommt freiwillig von Wolke 7 runter?“, konterte ich und wischte die Flecken um der Schüssel mit der Spitze eines Tuches weg.
„Wer hoch oben ist kann auch tief fallen“, murmelte sie, doch sie bekam heute nur meine Ignoranz zu spüren. Nein, heute würde ich mich nicht auf eine unserer unsinnigen Diskussionen einlassen. Ich war viel zu verliebt, viel zu glücklich, als dass ich mir meine Stimmung vermasseln ließ.
Ich schaufelte also Löffel für Löffel in meinen Mund und merkte, wie sie mich beobachtete. Sie fixierte mich mit ihren rehbraunen Augen. Es schien sie zu stören, dass sie mich nicht ärgern konnte. Sie rückte den Sessel gegenüber von mir zur Seite, setzte sich hin und starrte mich weiterhin an. Ihre Blicke sagten mehr als tausend Worte. Ein Blinzeln konnte einen erstarren, ein Zwinkern einen vor Freude springen lassen. Schließlich sah ich auf und war auf das Schlimmste gefasst, doch ihr Blick war überraschenderweise weich.
Dies ermutigte mich, meine Gefühle zu erklären. Ich holte tief Luft, und beugte mich nach vorne.
„Weißt du, ich fühle mich… als würde ich schweben“, setzte ich an.
„Ich fühle mich als würde ich kotzen“, erwiderte sie und verdrehte die Augen.
„Ich bin Hals über Kopf verliebt.“
„Ich drehe dir gleich deinen Hals um.“
„Es ist so schön…“
„Das ist so grässlich.“
„Du bist zu pessimistisch.“
„Vielleicht bist du einfach zu optimistisch?“
Seufzend gab ich auf. Normalerweise fand ich ihre Einstellungen zum Lachen, ach wie oft ich über sie lachte. Doch nun machte es mich bloß traurig.
Freude war doch viel schöner wenn man sie teilte, besonders mit einer guten Freundin. Wir beide wurden stumm, das Thema war zu Ende. Sie signalisierte mir dies, in dem sie aufstand und mir den Rücken zudrehte. Ich war so sauer auf sie.
Hätte ich damals nur gewusst, dass sie in mich verliebt war. Und zwar Hals über Kopf…
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