Hoffnung
Hoffnung
Alles ist weiß. Ein weißes Zimmer mit weißen Stühlen, einem weißen Bett und in all diesem Nichts lag ein Mädchen. Es lag einfach da. War weder wach noch müde. Irgendetwas dazwischen. Sie war immer irgendetwas dazwischen. Zwischen Zuhause und hier, zwischen Hoffnung und Verzweiflung, zwischen Leben und Tod. Sie lebte nur noch von einer Chemo zur nächsten und doch war sie noch so voller Freude. Sie gab nicht auf. Niemals. Das könnte sie nicht, nicht nachdem ihre Mutter jahrelang mit ihr gekämpft hatte, nicht wenn es noch eine Chance gab. Sie schien aber nicht mehr viel Zeit zu haben. Letztens erst nahm „Make a wish“ mit ihr Kontakt auf. Eine Stiftung, die tot geweihten Kindern einen Wunsch erfüllt. Einen letzten Wunsch. Das Mädchen wusste genau, was es sich wünschen sollte. Nichts Besonderes. Keine Reise, kein Abenteuer. Nur einen kleinen Sprung. Ab in die Vergangenheit. Zu dem Ort von dem sie seit drei Jahren träumte. Dorthin zurückkehren. Zu dem Haus, bei dem kleinen See. Wie früher. Die Ärzte sagten es sei nicht möglich. Sie konnte nicht leben ohne die Maschinen. Wenn sie es nicht erlauben würden, würde sie sich die Schläuche selbst rausreißen. Auch das wussten sie. Nachdem sie in den letzten zwei Jahren das Krankenhaus nicht mehr verlassen hatte, nie in den Garten durfte, nie auf den Balkon ging, noch nicht einmal das Fenster länger als zehn Minuten öffnen durfte, musste sie hier raus. Jetzt.
Nach einiger Zeit kam ihre Mutter in ihr Zimmer. Sie war zu schwach, um sie anzusehen. Aber dieses Mal war irgendetwas anders. Sie versetzte Schläuche, nahm sie in den Arm und setzte sie in ihren Rollstuhl. Sie wollte fragen was geschah aber sie konnte nicht. Sie spürte eine Augenbinde um ihren Kopf und wurde nervös. Wollte sich wehren. Es ging nicht. Sie merkte, wie sie sich in Bewegung setzte. Wie sich ihre Lungen mit fremder Luft füllten. Sie hörte Menschen, Vögel und wie der Wind mit den Blättern spielte. Endlich. Eine neue Kraft durchströmte sie und sie öffnete die Augen. Natürlich erkannte sie nichts. Aber trotz der Augenbinde stellte sie es sich vor. Strahlende Farben. Sie hörte bekannte Stimmen. Ihre Eltern. Sie hörte ein Auto starten und merkte wie jemand sie aus dem Rollstuhl hob.
Niemand sagte etwas. Während der ganzen Fahrt. Das Auto blieb stehen. Sie hoben sie aus dem Fahrzeug. Sie wusste, wo sie war. Sie hätte am liebsten geschrien vor Aufregung. Dann fiel die Augenbinde. Ihre Augen gewöhnten sich an das Licht. Zum ersten Mal seit zwei Jahren saß sie in der Sonne, hörte die Vögel zwitschern und sah wie sich die Wolken im Wasser spiegelten. Sie fühlte sich wie ein Kind. Zurückversetzt in die Zeiten ohne Krankenhaus. Ihre Vergangenheit hielt mehr gute Erinnerungen als die Zukunft schlechte bringen kann. Auch wenn sie früher jeden Tag hier war schien es ihr so neu. So unbeschwert. Sie lachte. Sie berührte das Wasser. Fühlte das Gras. Einmal konnte sie aus dem Weiß fliehen. Zurück zur Farbe. Wie früher.
Es war der schönste Tag in meinem Leben.
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