Hör auf die Stimmevon Anna Klesse
Er war allein. Nicht, dass es ihn wunderte. Seit Wochen schon wurde er gemieden, als sei er die Büchse der Pandora persönlich. Um ehrlich zu sein, waren es keine Wochen, nicht mal Monate, eher Jahre. Er wusste gar nicht mehr, wann er mal nicht allein gewesen wäre. Manchmal bemerkte er Menschen um sich herum, die sprachen, aber irgendwie nicht mit ihm, sondern eher durch ihn hindurch, als wäre er ein Geist, der einfach nur dazwischen schwebte. Er wusste, dass seine Situation seinen Eltern nicht gefallen würde. Wer mochte den schon einen Sohn, dessen Leben keine Wellen schlug? Er wollte es ja. Das hatte er ihnen gesagt. Mehrfach. Aber es stellte sich als schwierig heraus, sich auszubereiten, die Flügel auch mal zu testen. Er bestaunte die anderen, die sich mit Leichtigkeit ihren Weg bahnten, mal auch die Ellbogen ausfuhren, wenn es sein musste. Doch er hatte viel zu sehr Angst vor diesen Ellbogen, die ihn hart in den Rippen trafen. Ihn in die Ecke schubsten und auf seinen Platz verwiesen. Den er doch eigentlich verdiente. Leute, die es gut mit ihm meinten, versuchten ihm die Welt da draußen zu erklären, die Welt mit ihren Ellbogen, Handflächen und Fußtritten. Irgendwann wurde ihnen seine Haltung, die an einen Ertrinkenden auf hoher See erinnerte, aber zu anstrengend. Er war zu anhänglich, zu nervig, so unselbstständig und ängstlich, dass es niemand lange bei ihm aushielt. Obwohl er es sich so sehnlichst wünschte, dass jemand blieb. Allein die Gewissheit, irgendjemand hielte ihm den Rücken frei, war für ihn wie ein Rettungsring. Aber die Erkenntnis, allein zu sein, traf ihn immer wieder hart, ganz gleich wie vertraut ihm dieses Gefühl längst sein musste. Er versuchte immer wieder sie wegzuschieben, diese ständige Stimme, die mit ihm sprach, weil es sonst keiner tat. Die ihn zu schrecklichen Dingen verleiten wollte. Sie war immer da und verflog nicht wie eine Seekrankheit an Land. Er hoffte, sie würde Ruhe geben, wenn er tat, was sie verlangte. Aber sie verlangte zu viel und am Ende gab er Ruhe.
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