Hört mich denn keiner?
Hallo? Hört mich jemand? Hört mich denn keiner?
Ich sitze hier ganz allein, allein gelassen von Gott und der Welt. Ich stehe auf und werfe meinen Blick hinunter, lasse Papierflieger den Abgrund hinabsegeln. Langweile, mein alter Freund, komm her und lenk mich ab. Ich hätte immer dort sitzen können, hätte immer glücklich sein können, gelangweilt, aber sicher. Mit Bergen von Aufgaben, allein, aber nicht in Gefahr.
Hört mich denn niemand? Weiß denn niemand, dass ich hier bin?
Doch dann sehe ich sie. Die Tür hinauf, dorthin, wo wir nicht hingehen dürfen. Meine Neugier ist geweckt. Welche Abenteuer wohl hinter dieser Tür stecken? Die fehlenden Stufen sind schnell erklommen, die Klinke glänzt verheißungsvoll. So verlockend. Ich musste sie einfach hinunterdrücken. Wäre bloß abgeschlossen gewesen, wäre ich bloß am ersten Hindernis gescheitert!
Hilfe! Hilfe! Ich bin hier oben! Ich will hier raus!
Hinter der Tür, ein weiterer Gang. Hier ist es stickig. Sonne fällt durch milchige Fenster, malt Muster auf den staubigen Boden. . . Verschiedene Türen zweigen ab, so wie im Stockwerk darunter. Ich sehe Spuren im Staub, denke mir, vielleicht war der Hausmeister vor Kurzem hier oben… Ich gehe, gehe über den verstaubten Gang, schaue in jedes Zimmer. Gähnende Leere, erhellt durch Sonnenstrahlen, die durch Luken fallen. Nur ein Zimmer ist verschlossen. Doch die Klinke ist nicht staubig… Hier scheint ein wichtiger Raum zu sein. Ich gehe weiter und sehe in jeden Raum, überall dasselbe. Schon wieder holt mich die Langweile ein, guter, treuer Gefährte.
Ich wollte nie hier sein, wirklich! Holt mich hier raus, bitte!
Hab das Ende des Ganges erreicht, drehe ab, gehe zurück. Gehe an der verschlossenen Tür vorbei. Plötzlich wird die Klinke von innen heruntergedrückt. Mir wird angst und bange, weiß nicht wieso. Beschleunige meine Schritte, renne zurück zu der Tür. Fliehe Hals über Kopf, will nur möglichst schnell weg von hier. Aber sie ist auf einmal abgeschlossen.
Mir ist alles egal, solange ich von hier wegkomme! Hilfe!
Und dann höre ich, wie eine Tür geöffnet wird. Schritte nähern sich von dort, wo ich gerade gekommen bin. Ich rüttle an der verschlossenen Klinke, aber sie geht nicht auf. Die Schritte kommen näher, ich frage zaghaft, ob jemand da ist. Niemand antwortet, die Schritte werden lauter, nur noch eine Nische trennt mich von dem anderen Menschen hier.
Es kommt immer näher, tut doch endlich etwas!
Plötzlich weiß ich, wer auch immer da ist, er ist gefährlich. Wäre es jemand harmloses, er hätte mich gefragt, was ich hier tue, oder hätte sich versteckt. Aber diese Person hier spricht nicht. Sie beschleunigt ihre Schritte. Doch die Tür ist verschlossen, ich kriege sie nicht auf durch all das Rütteln. Die Schritte sind jetzt bei der vorletzten Tür angelangt. Ich beginne zu schreien, trommle hilflos gegen meine Tür.
Hallo, hallo, hört mich jemand? Hört mich denn keiner?
Nein, lieber Leser. Dich hört hier keiner.
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