Ich glaube dir
Es war einmal, als der Winter kam und die Luft eisig wehte. Da entstand aus der Kälte in höchsten Höhen hinter den Wolken eine kleine Schneeflocke. Wind und Wetter trieben den kleinen Kristall über die Erde auf ein weites Feld, das klingend und wartend in der Stille lag.
Dort kam die Schneeflocke auf einem Grashalm zur Ruhe. Sanft ließ sie sich auf seiner Spitze nieder, die schon verfroren und bestäubt war von weißem Reif. Da hörte die Schneeflocke den Grashalm leise seufzen, als wäre sie ihm eine zusätzliche Last. „Was hast du?“, fragte sie ihn besorgt. Wieder seufzte der Grashalm leise und antwortete ihr zögerlich: „Ach weißt du, ich vermisse die Sonne. Weißt du wie schön es war, als dieses Jahr der Frühling kam und alles hier in warmem, hellem Licht lag. Bunte Blumen reckten unter uns ihre schönen, langen Stängel und farbigen Blüten gegen den Himmel. Schmetterlinge fächelten uns mit ihren zarten Flügeln Luft zu. Marienkäfer kitzelten uns mit kleinen, schnellen Beinchen und das Summen von Bienen und allen Arten von Insekten erfüllte die Luft. Ach liebe Schneeflocke, weißt du wie schön das war? Ich habe solche Sehnsucht danach.“
Nach einer längeren Pause antwortete die Schneeflocke, nachdem sie aufmerksam zugehört hatte und diese fremde Welt ihre Vorstellungen erfüllte: „Nein lieber Grashalm, ich weiß es nicht, aber ich glaube dir.“
Wieder sagten die Beiden lange nichts, ehe die Schneeflocke leise anfing zu erzählen: „Lieber Grashalm, weißt du wie es dort oben aussieht hinter den Wolken? Dort ist die Luft so dünn und klar und unberührt. Große Schwärme von Vögeln fliegen schnell den warmen Winden nach. Wolken bilden die schönsten Formen und die Welt hier unten ist von dort oben so bunt und klein und doch so riesengroß, dass ich dich mein lieber Grashalm, von dort oben aus nie hätte sehen können. Ich freue mich nach meiner langen Reise hier bei dir zu landen, doch ich vermisse es auch durch Wind und Nebelschwaden zu tanzen. Weißt du wie schön das war?“
Es dauerte lange bis der Grashalm antwortete. Zu vertieft war er in Träume von den luftigen Höhen, die ihm die Freundin beschrieben hatte.
„Ich weiß es nicht kleine Schneeflocke.“, sagte er schließlich. „Aber ich glaube dir.“
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