Ich komme hier nicht raus
Zeit aufzustehen. Zeit sich unter die eiskalte Dusche zu stellen und einen weiteren Tag zu schuften.
Ich beobachte meinen mageren Leib im Spiegel und ziehe meinen Anzug an. Das Tattoo auf meinem Arm lächelt mich schmerzend an. Meine Rippen ragen durch meine Haut.
Bei der Arbeit schaut man mir über die Schulter. Ich zittere in Furcht, betend, dass mir kein Fehler unterläuft. Hier sind sie streng. Ein Fehler und man ist weg.
Eigentlich wollte ich Zahnarzt werden. Das Schicksal hatte anderes für mich vor. „Alles hat ein Ende. Irgendwann ist diese Qual auch vorbei“, sagte man mir.
Alles hat ein Ende. Das ich nicht lache. Alles Gute hat ein Ende. Alles Schlechte bleibt in Ewigkeit. Mein Schmerz, meine Trauer, mein Ächzen und Jaulen. Selbst wenn ich längst weg bin, werden sie ewig weiterhallen.
Ich sehe die schwarzen Wolken und erstarre. Sie verfolgen mich seitdem mein Unglück angefangen hat. Eigentlich weiß ich nicht mehr, wann es angefangen hat. Das ist meine Realität.
Ich fühle mich unwohl. Ich fühle mich unterdrückt. Und irgendwie komme ich hier nicht raus. Aus dieser Kleidung, die ich nicht ausgesucht habe, aus dieser Arbeit, die ich nicht machen will, aus diesem Bett, in dem ich nicht schlafen kann. Aus diesem Leben, das ich nicht leben will.
Mein Vorgesetzter ermahnt mich. Ich wache aus meinen Tagträumen auf. Ein Schweißtropfen rinnt mir die Stirn hinunter. Ich arbeite mit der gewohnten Schwäche, sowohl physisch als auch mental, weiter. Ich komme hier nicht raus.
Dann ertönt ein Pfiff. Ich weiß, wie es jetzt weitergeht, so auch meine Kollegen. Jeder erhebt sich und ordnet sich ein. Wie ein Marsch gestreifter Gänse zum Schlachthaus, wie eine lustlose Conga, gehen wir los.
Wir enden in einer luftdichten Kammer. Ich warte auf das warme Gefühl. Dieses warme Gefühl, das ich nicht kenne, aber mir exakt vorstellen kann. Ich schließe meine Augen und lege meine Hand auf den Stern an meiner linken Brust.
Hier werde ich selbst zu dieser schwarzen Wolke, die mich verfolgt. Ab jetzt schwebe ich ohne Orientierung, Ziel und Zweck durch die Unendlichkeit.
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