ich weine; um dich
Ich höre deine schleppenden Schritte die Stufen hinauf stampfen. Es ist schon wieder so weit, ich erkenne es an den langen schleifenden Geräuschen. Augenblicklich schärfen sich alle meine Sinne und es wird mir schlecht. Bitte geh nicht zu meiner Tür. Bitte komm nicht zu mir. Bitte geh einfach wieder. , bete ich, mit zitternden Händen in meinem Schoß. Die Wände sind dünn, ich nutze dies, um dich zu sehen, ohne dir in die Augen sehen zu müssen. Ich habe es in den letzten Jahren perfektioniert. Nach den Stiegen sind es 18 Schritte bis zu meiner Tür. Nur wenige Augenblicke. Doch abends brauchst du länger. Ich habe mehr Zeit, mich auf dich vorzubereiten, meine Angst in den Griff zu bekommen und mir nichts anmerken zu lassen.
Mit jedem deiner Schritte in die Richtung meiner Tür stirbt ein Stück meiner Hoffnung heute Abend meine Ruhe zu haben. Die Angst, dich so zu sehen, lässt Panik in mir aufsteigen. Beruhig dich!
Drei laute, träge Faustschläge gegen meine Zimmertür. Bei jedem Poltern zucke ich zusammen. Du unterschätzt deine Kraft, kannst nicht mehr einschätzen, wie stark du wirklich bist. Tränen schießen in meine Augen. Jetzt ja nicht weinen. Reiß dich zusammen. Verdammt.
„Ja?“, rufe ich fragend mit schwacher Stimme. Keine Reaktion. Noch einmal rufe ich. Diesmal lauter. Anscheinend hast du es gehört. Die Tür wird mit einem Schwung aufgerissen. Du siehst mit leeren glasigen Augen durch mein Zimmer, bis du mich, auf meinem Bett kauernd, entdeckst. Ein Blick in dein Gesicht und meine Befürchtung hat sich mal wieder bewahrheitet. Es ist immer das Gleiche, trotzdem hoffe ich jedes Mal, dass dieser Abend anders ist und du zu Hause geblieben bist. Aber ich werde immer wieder aufs Neue enttäuscht.
Ich habe unglaublich große Angst vor dir - in diesen Momenten, aber das bist doch eigentlich überhaupt nicht du. Das ist nicht der liebende fürsorgliche Mensch, der du normalerweise bist. Es ist der Alkohol. Er macht dich zu einem Monster, das ich fürchte, das dich verändert. Du wirst wütender. Deine Worte aggressiver. Deine Handlungen unkontrollierter. Dein Körper schwächer. Aber ich weiß du würdest mich nie angreifen, mich nie schlagen. Und doch habe ich Angst davor, dass du die Kontrolle verlierst und aus deinen lallenden wütenden Worten Taten werden. Schläge. Schmerzen.
Deine Hände klammern sich mit letzter Kraft an den Türrahmen, um dich aufrecht zu halten. Du versuchst etwas zu sagen, doch bringst die Worte nicht mehr über deine Lippen. „Geh. Bitte. Ich muss noch lernen und dann werde ich schlafen gehen.“, meine Stimme versagt. Anscheinend ist die Bedeutung meiner Bitte zu dir durchgedrungen. Nach einem unverständlichen Brummen schließt du die Tür - mit einem lauten Knall - und gehst. Mit jedem Schritt, den du dich von mir entfernst, verlässt eine weitere Träne meine Augen. Sie laufen einfach über meine Wangen. Ich kann sie nicht mehr zurückhalten. Ich weine; um dich.
And please don’t drink more beer.
I wish you were sober.
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