10 kilometer bis zu den wolken
Ein Leben ohne sie. Ohne ihre viel zu festen Umarmungen, ohne ihren blumigen Geruch der in mir immer ein Gefühl von Heimat ausgelöst hatte. In mir ist etwas zerbrochen - ich fühle mich leer, fast sinnlos. Wie kann ein Leben einfach ausgelöscht werden? Von 100 auf 0 – von neben mir auf für immer weg.
Ich schaue hinauf in den Himmel. Ist sie jetzt dort oben?
Eigentlich scheinen die Wolken ziemlich nahe zu sein. 10 Kilometer vielleicht – weiter sicher nicht. Weit weg ist das nicht und doch unerreichbar für mich. Was ist, wenn sie da wirklich da oben ist und ich sie nur nicht sehen kann. Was ist, wenn sie nur aus meinem Leben verschwunden ist, aber ihr Weg noch nicht vorbei ist?
Ich will sie sehen – wie kann es sein, dass sie so nahe ist und doch so weit weg von mir? 10 Kilometer bis zu den Wolken – wenn ich nur schnell rannte, war ich bei ihr.
Und das tue ich. Renne aus ihrem Garten, auf die Straße hinaus. Ich schaue nicht, wohin der Weg mich führt – will einfach laufen. 10 Kilometer, bis ich bei ihr bin.
Meine Lunge brennt und erinnert mich an das Loch in mir, das sie hinterlassen hatte. In mir fehlt etwas – ein Stück Geborgenheit und Heimat ist verschwunden mit ihr und zurück bleibt dieser brennende Schmerz.
8 Kilometer. Der Rhythmus in dem meine Schritte auf den Boden klatschen, beruhigt mich. Wie das Leben – denke ich bei mir. Man setzt einen Fuß auf den Boden und geht dann wieder. Mancher Schritt ist kürzer, mancher länger und doch tragen alle zum Laufen bei. Würde einer für immer am Boden bleiben wäre der Rhythmus gestört und mein Lauf vorbei.
5 Kilometer. Langsam geht mein Weg bergauf. Es ist anstrengend – meine Schritte werden langsamer und mein Atem schneller. Oben erkenne ich die Kuppe des Hügels – ich sehe nicht daran vorbei, weiß nicht wie der Weg hinter ihr weitergeht. Er könnte schwieriger werden oder leichter – er könnte aber auch ganz aufhören. Diese Ungewissheit macht mir Angst und ich will die Kuppel fast nicht erreichen, doch an meinem Weg kann ich jetzt nichts mehr ändern.
4 Kilometer. Ich spüre, wie ich ihr näher komme. Will sie sehen, die Stunden der Trauer ausblenden und dieses warme Gefühl wieder spüren. Ich werde schneller – nicht mehr lange und ich bin bei ihr.
1 Kilometer. Fast sehe ich sie vor mir. Spüre die Wärme in ihrem Blick, ihre weit geöffneten Arme in die sie mich gleich nehmen wird. Tempo – sage ich mir. Nur noch ein paar Schritte und du bist bei ihr. Alles zieht an mir vorbei. Mein Herz rast, meine Füße fliegen nur so über den Boden, mein Verstand kann nicht mehr klar denken – ich weiß nur dass ich weiter muss. Schneller.
0 Kilometer. Jetzt wäre ich in den Wolken. Könnte sie sehen. Könnte weiter blicken – aus einer anderen Perspektive und vielleicht mehr verstehen.
Doch ich bin hier unten und sie nicht. Verstehe nichts und verstehe doch alles. Ein Leben ohne sie, aber das ist auch gut so.
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