103 Schritte in die Freiheit
Das Gebäude schluckt mich. Schatten trifft auf Licht, ich fühle mich kurz blind. Meine Augen gewöhnen sich an die Neonlichter. Beißend grell. Alles grau und kahl. Lieblos.
1, 2, 3, …. 10 Schritte bis zur nächsten Tür. Sie sieht mich traurig an. Wen sperrt sie wohl ein?
Von dort aus 93 Schritte bis zu meiner Zelle.
Ich komme zurecht. Ich werde es aushalten. Ich muss, ich muss, ich muss.
Ich bin hier lebenslänglich.
Alles ist zwar neu hier drinnen. Im Knast. 40 statt 30 Schritte bis zur Toilette. 60 Schritte, ein Gang am Hof. Die Hierarchie wurde mir schon unterbreitet. Beleidigen darf man niemanden, die anderen sind gefährlich. 1 Schritt, 2 Schritte, 13 Schritte, ich rempele jemanden. Mir wird gedroht. Ich mag die anderen, aber sie mich nicht. 1, 2, 3, 4, 5 Schritte, das lenkt mich ab, Schritte beruhigen mich, sie sind zählbar.
Alle sind innen grau, ich bin innen bunt. Ich bin neu, aber die anderen sind hier schon lange. Lebensfreude gibt es hier fast nicht. Das will ich nicht. Ich muss hier raus. Ich werde es nicht aushalten. Ich muss weg von diesem Betonklotz.
Ich breche aus! Denn ich bin jung und innen bunt.
103 Schritte bis zum Ausgang.
Weg von den Neonlichtern. Licht trifft auf Schatten. Das Gebäude spuckt mich aus.
Knast, Zelle, Gefangene.
Arbeit, Büro, Ich.
Synonyme für mein Leben.
Wir danken unseren Unterstützern
Mit Unterstützung folgender Wiener Bezirke:
Für Sponsoringanfragen wenden Sie sich bitte an Margit Riepl unter margit.riepl@gmx.at
Wenn Sie "Texte. Preis für junge Literatur" unterstützen möchten, spenden Sie bitte auf folgendes Konto:
Literarische Bühnen Wien, Erste Bank IBAN: AT402011182818710800, SWIFT: GIBAATWWXXX
Ihre Spende ist steuerlich absetzbar!
Spendenbegünstigung gemäß § 4a Abs. 4 EStG 1988; Registrierungsnummer KK32646
Weitere Antworten rund um die Spendenabsetzbarkeit für Privatpersonen und Unternehmen
