180: 0
70
70 Schläge pro Minute.
Bei mir sind es 180. Mehr als doppelt so viele. Viel zu viel. Viel zu schnell.
70 Schläge sollte das Herz durchschnittlich pro Minute schlagen.
Nicht 180.
Nicht 0.
Doch das tut es.
180: 0 – ein unfairer Stand. Und ich kann es nicht ändern.
Ich könnte ihr die Hälfte abgeben und immer noch leben. Wie gerne ich das tun würde. Doch so funktioniert es nicht. Man Herzschläge nicht gegen Leere tauschen.
Es steht 180: 0
Rhythmisch und automatisch setze ich meine Bewegung fort. Egal wie sehr meine Hände zittern. Vor Kälte. Vor Panik. Ich weiß es nicht mehr.
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28
29
30.
Kopf überstrecken. Nase zu halten. Wie angelernt.
1
2
Luft verlässt meine Lungen, von der ich nicht weiß, woher sie kommt. 78 Prozent Stickstoff, 16 Prozent Sauerstoff.
Doch ich kann nicht Atmen. Nicht wirklich.
180: 0
Ich höre nicht auf. Immer weiter. Immer weiter im selben Takt. Nicht schneller, nicht langsamer.
Nur mein Herz hält sich nicht an den Rhythmus, schlägt wild gegen meine Rippen. Als ob es mich nur noch mehr auf den Unterschied zwischen uns hinweisen möchte.
Mein Herz schlägt, zu schnell und zu laut.
Ihr Herz nicht. Es hat einfach aufgehört. Weigert sich weiterzuschlagen.
Doch das darf es nicht. Es muss schlagen. Es muss.
Wach auf, wach auf, bitte, bitte, bitte.
Immer im Takt zu der Bewegung meiner Hände.
Meine Schuld. Meine Schuld. Wach auf!
180: 0
Und ich kann es nicht verhindern. Nicht verhindern, dass meines weiterschlägt und ihres nicht. Nie wieder.
Und es wird mein Fehler sein. Weil ich es verhindern hätte können, wenn ich sie eine Minute früher gefunden hätte.
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Kopf überstrecken. Nase zu halten. Atmen.
1
2
Weitermachen. Niemals aufhören.
Ich habe nicht vor aufzuhören. Auch wenn es zwecklos erscheint, ich werde nicht stoppen, bis ich nicht mehr kann. Bis es 180: 1 steht.
Oder 0: 0
180: 0 – immer noch.
Viel zu schnell und einfach gar nichts.
Sind die zwei Minuten bereits vergangen? Ich finde keine Antwort. Ich verliere nur Zeit.
Sie entrinnt mir, als wäre sie feiner Sand, der langsam und unaufhaltbar durch meine Finger läuft. Jedes Korn eine Sekunde die ich verliere.
Aussichtslos, aber ich gebe nicht auf. Lasse nicht los, klammere mich an den Funken Hoffnung in mein Herz, der schon lange abgebrannt ist. Es ist mir egal. Es muss wieder schlagen. Sonst schlägt meines nicht mehr.
180: 0
Die Welt verschwimmt vor meinen Augen. Farben, die ohnehin nicht mehr zu erkennen sind, verlaufen. Dunkele Schleier auf dunklem Hintergrund. In meinen Ohren hallt der Schlag meines eigenen Herzens.
180: 0
Sekunden verstreichen, verlaufen sich in der Dunkelheit. Alles, was ich spüre, ist mein Puls.
Meine Arme werden immer schwerer. Aber ich darf nicht aufgeben. Nicht hier. Nicht jetzt.
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180: 0
Mein Herz pocht – unregelmäßig, langsamer.
Ein Schlag der in der Stille verhallt.
Mein Herz stolpert, setzt aus.
Doch der Puls schlägt weiter.
Zaghaft, aber stur.
Es schlägt.
180: 42
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