2 Wünsche und ein Zauber
Einst lebte ein Junge, dessen Eltern verstorben waren, in einem weit verlegenen Dorf mit seinen zwei jüngeren Schwestern. Was für Aufmerksamkeit sorgte, waren seine smaragdgrünen Augen, auf denen er seit seiner Geburt blind war. Jeden Morgen wachte er früh auf, um etwas Geld durch das Brotverkaufen zu verdienen, das seine Schwestern am Vorabend backten. Eines Nachts, als der Knabe sich auf den Nachhauseweg machte, schlug ein Blitz vor ihm ein. Sein Wagen aus Holz brach auseinander und die restlichen Brote fielen in den Schlamm. Der junge Mann ließ sich auf den Boden fallen und Tränen flossen über sein Gesicht, die er seit einer Ewigkeit zu unterdrücken schien. Plötzlich tauchte ein langbärtiger Mann auf und fragte: „Warum weinst du denn Kleiner?“ Der Knabe schaute auf und antwortete schluchzend: „Wer sind Sie?“ Jedoch war der Mann wieder verschwunden. Als sich der Junge diese Nacht in den Schlaf weinte, passierte etwas Seltsames. Der Mann, den er auf dem Feld getroffen hatte, tauchte in seinem Traum auf. Er erkannte seine Stimme. „Knäblein, was wünscht du dir für die Vergangenheit?“ Der Junge war verwirrt. „Ich verstehe nicht ganz“, antwortete er mit blassem Gesicht. Der Langbart sagte: „Sag mir, was ich aus deiner Vergangenheit verändern soll und es wird für immer halten.“ Ohne nachzudenken, schoss es aus ihm heraus: „Ich wünsche mir meine Eltern zurück.“ An diesem Morgen hörte er die Stimmen seiner Geschwister, einer Frau und eines Mannes am Tisch. Diese Nacht träumte er wieder von dem Mann. Diesmal fragte er: „Was soll in der Gegenwart passieren?“ Der Knabe musste diesmal etwas länger überlegen, doch schließlich meinte er: „Ich will, dass wir nicht mehr nur Brot essen müssen. Etwas Geld für ein Stück Fleisch wünsche ich mir.“ An jenem Abend gab es ein köstliches Mahl. In der dritten Nacht tauchte der Mann erneut auf: „Dies wird dein letzter Wunsch sein. Überlege es dir gut. Wie soll deine Zukunft aussehen?“ „Diesmal wünsche ich mir nichts“, sagte der Junge mit einem zufriedenen Ton. Der Mann war verblüfft, doch akzeptierte seine Entscheidung. Bevor er seinen Traum verließ, fragte er jedoch: „Warum wünschst du dir nicht sehen zu können? Deine Zukunft wird voller Farben sein!“ Auf dem Gesicht des Jungen formte sich ein Lächeln. „Ich brauche keine gesunden Augen, um eine bunte Zukunft zu haben. Ich habe mir schon das erfüllen lassen, was mich glücklich macht. Man sollte sich nicht um die Zukunft sorgen, denn es ist die Gegenwart, die uns geschenkt wurde, und wenn man darin glücklich leben kann, wird auch die Zukunft voller Wunder stecken.“ Nach diesen Worten fiel dem alten Mann eine Träne herunter. Während er dem Jungen eine Kette um den Hals band, sprach er seine Abschiedsworte: „Das ist mein Geschenk an dich.“ Am nächsten Morgen griff sich der Junge an den Hals, doch die Kette war verschwunden, stattdessen fühlte er eine Veränderung an seinem Körper. Er setzte sich Richtung Fenster auf und öffnete seine Augen.
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