"2084"
Und da sah ich ihn, nur wenige Zentimeter klein, aber doch ein Weltwunder. Genauso wie in meinem Reiseprospekt beschrieben, mit den detaillierten Worten und dem kleinen Bildchen auf der zerknitterten Papierrückseite, ja genauso sah ich ihn vor mir. Es hat mir ein breites Lächeln auf mein Gesicht gezaubert, auch wenn man dieses wegen meinem Schnorchel, wohl besser erahnen als erkennen konnte. Als ich so um mich schaute, und die anderen Menschen aus meiner Reisegruppe beobachtete, wie die Haare so schön seidig im Wasser umher trieben und sie wild mit ihren Flossen paddelten, sah ich die Faszination in jedem Gesicht. Man konnte die Glücksgefühle spüren, ja so stark war die Stimmung unter der, von Sonnenstrahlen erhellte, blau-türkisen Wasseroberfläche. Zu oft in diesem Moment musste ich an die Worte meines Vaters denken: "Alles war voller Korallen und Fische in allen bunten Farben, und anderen Kreaturen und Geschöpfe, die das Meer zum wundervollsten Ort der Welt machte", hatte er gesagt. Doch so wie es einst beschrieb, war es nicht. Ich sah keine Korallen, keine Farben oder Kreaturen, nein alles, was ich sah, war dieser Fisch. Sie muss so schön gewesen sein, diese Unterwasserwelt, aber so wie sie früher war, existiert sie nur mehr auf sämtlichen Internetportalen, aber nicht in der Realität. Auch wenn es in fernen Zeiten noch beeindruckender gewesen sein musste, war ich dennoch überwältigt von diesem winzigen Tierchen, das genau an diesem Tag, dem 14. 05. 2084 an diesem Ort, in diesem zuletzt verbliebenen See, in diesem Koordinaten Feld vorbei schwamm, bevor es irgendwann zu Ende geht. Es war einer der schönsten Momente meines Lebens. Ihn gesehen zu haben ist ein großes Geschenk, denn heute, ja genau in diesem Moment, gibt es den Fisch schon längst nicht mehr. Wo man früher noch Fische fangen konnte, um sie später zu essen, weil noch eine Vielzahl davon vorhanden war, schwimmt jetzt kein einziger mehr.
Und jeden Tag stelle ich mir diese Frage: "Können wir die Welt noch retten? "
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