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Liebes Tagebuch!
30. September 2025 23: 47
Schon wieder liege ich wach. In meinem Kopf pures Chaos. Von Aufgaben über Termine bis hin zu noch mehr Stress. Als würden sich die Gedanken gegenseitig überrennen. Ein Tornado in meinem Kopf.
Heute Morgen: Absolute Katastrophe. Mama stürmt um 7: 30 Uhr rein. Schon wieder verschlafen. Hektisch stopfe ich irgendetwas in mich rein – Frühstück kann man das nicht nennen. Panisch höre ich Mama rufen: „Tempo, Tempo! Du verpasst den Bus!“
7: 48 Uhr. Bushaltestelle. Der Bus fährt vor meiner Nase weg.
Ich renne los, komme keuchend um 8: 10 Uhr im Klassenzimmer an. „Lisa, du bist schon wieder zu spät! Jetzt lösch schnell die Tafel, Tempo, wir haben noch viel zu besprechen!“, ruft mir der Herr Professor zu.
Dann der Schock: Matheschularbeit. Dreistündig. Zwischen all den Terminen im Kalender komplett verdrängt. Drei Stunden voller Panik. Das Ergebnis? Absehbar.
„Lisa, du musst dich mehr anstrengen“, sagt die Französischprofessorin später. Ich spüre die Tränen in mir hochsteigen, wie Wellen spülen sie alles weg.
Es fühlt sich an, als würde mich das Tempo der Welt überrollen. Egal was ich tue, es reicht nie. Wieder sitze ich vor dem Schreibtisch, starre auf meine Bücher und höre meine innere Stimme schreien: Tempo! Tempo! Du bist schon wieder viel zu spät dran! Du hättest viel früher mit dem Lernen anfangen müssen!
Und als ob das nicht reicht, platzt Mama ins Zimmer: „Na los! Du solltest längst beim Gesangsunterricht sein!“. Ich nicke nur, obwohl es mich im Inneren, durch all den Druck, förmlich zerreißt.
Früher, als Kind, war alles leichter, ohne diese endlosen Termine, ohne diesen künstlichen Stress, den ich mir selbst immer wieder auflade. Ständig habe ich das Gefühl noch mehr leisten zu müssen um irgendwie genug zu sein.
Social Media macht es nicht besser. Ich sehe Videos von Frauen, die selbstbewusst ihrem Traum nachgehen. Gleichaltrige, die Schule, Beziehung und Nebenjob scheinbar mühelos auf die Reihe bekommen. Und ich? Ich vergleiche mich und verliere.
Es fühlt sich an, als wäre ich mein größter Kritiker. Freunde sagen mir: „Es ist genug, was du machst, entspann dich mal.“ Doch ich glaub ihnen nicht. Da geht noch mehr, höher, weiter, schneller! Tempo! Tempo! , sage ich mir immer wieder.
Ich kann nicht in die Zukunft sehen. Früher wusste ich genau, was ich einmal machen möchte. Doch jetzt? Alles verschwimmt. Tempo! Tempo! Denk an deine Zukunft! Denk an deine Eltern! Du darfst sie nicht enttäuschen!
Und all diese Gedanken halten mich nachts wach.
Jetzt sitze ich hier, schon wieder viel zu spät dran. Die Uhr zeigt erbarmungslos 23: 59 Uhr, während meine Augen brennen und die Gedanken weiterrasen. Ich schreibe und tippe und hoffe darauf, die Zeit, die ich tagsüber nicht hatte, einzuholen. Aber die Wahrheit ist: Egal wie schnell ich renne, das Tempo bleibt mir immer einen Schritt voraus.
Warte. Es ist der 30. September, MIST, ich wollte doch morgen einen Aufsatz zum Thema Tempo abgeben. Aber wie soll ich bloß damit anfangen?
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