Ikarus‘ Ende
Ich habe ein Buch zu Hause, das auf meinem Regal liegt und Staub sammelt, aber immer wieder blättere ich durch die Seiten, als würde sich die Geschichte ändern oder sich von selbst weiter schreiben. Es ist alt, Seiten fehlen und irgendwer hat schon was rein geschrieben und Sätze unterstrichen. Die Geschichte ist wie jede andere. Nicht wirklich neu oder besonders gut. Die Charaktere sind merkwürdig und besonders das Mädchen ist nervig.
Ein Mädchen, verloren in ihrem eigenen Kopf, und ein Junge, versteckt vor der Welt und sich selbst, lernen sich kennen und werden Freunde. Anfangs war es nicht klar, dass es eine Liebesgeschichte sei und um ehrlich zu sein, bin ich mir immer noch nicht sicher. Zu viele Seiten fehlen, um die Szenen zusammensetzen zu können.
Sie verbringen Zeit miteinander, sie sehen sich für Wochen nicht.
Sie küssen sich, sie haben andere Partner.
Sie kennen sich seit Jahren, sie sind immer noch Fremde.
Man weiß nicht, was sie fühlen oder denken. Sie stehen voreinander, die Linie zwischen ihnen schon seit langem verschwommen und dennoch wagen sie keinen Schritt näher. Sie kennen sich gut genug, um zu wissen, es würde kein gutes Ende nehmen.
Ikarus‘ Ende, aber man weiß nicht, ob sie jemals hoch genug steigen, um zu fallen oder auf sicherer Höhe bleiben, dafür jedoch niemals von der Sonne geküsst werden.
Die letzten Seiten fehlen.
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