Im Schatten der Nacht
Der Augenblick war perfekt, um den Plan in die Tat umzusetzen. Leise schlich sie die lange, dunkle Gasse entlang. Ein Rascheln ganz in der Nähe ließ sie innehalten. Sie presste sich fest gegen die steinerne Hauswand, die im Mantel der Nacht wie eine dunkle Bedrohung wirkte. Doch jetzt bot sie ihr Schutz vor den unerwünschten Blicken anderer. Um diese späte Stunde wurde sie selbst zum Schatten, zu einer dunklen Bedrohung. Unter ihren schwarzen Kapuzenmantel blitzte ein Stück ihres frisch geschliffenen Dolches hervor. Schnell bedeckte sie es wieder mit ihrem Umhang.
Sie harrte aus, Warten war schon immer ihre Stärke gewesen. Irgendwann würde sich schon der richtige Zeitpunkt ergeben! Früher oder später. So war es immer, so würde es auch immer sein! Das Rascheln war verstummt. Einen Moment blieb sie noch unbewegt stehen. Erst als sie sicher war, dass das Etwas verschwunden war, schlich sie weiter.
Heute Nacht waren die Straßen und Gassen der sonst so belebten Stadtteile der Adeligen wie leergefegt. Alle waren zum Geburtstag der elften Prinzessin in den großen Ballsaal eingeladen worden.
Vor ihr im Schatten, am Ende der Gasse, lag die gewaltige Villa des Fürsten – ihr heutiges Ziel!
Das Tor war verschlossen, wäre auch zu einfach gewesen! Leise fluchend machte sie sich an dem komplizierten Schloss zu schaffen. Zum Glück hatte sie in ihrem Leben schon unzählige Schlösser geknackt. Erleichtert atmete sie aus, als es geräuschlos aufsprang. Wie ein Schatten glitt sie unbemerkt hinein. Im inneren war es stockfinster. Sie brauchte einen Moment, bis sich ihre Augen, die auch in der Dunkelheit ausgezeichnet sahen, daran gewöhnt hatten.
Hoffentlich begegnete sie niemanden, sie war ein Dieb und kein Mörder! Nur wenn es nicht anders ging, zog sie ihren Dolch. Ihr Zielobjekt, ein seltener magischer Stein, der seinem Träger die Fähigkeit der Teleportation ermöglichte, befand sich im untersten Teil der Villa. Am Tag zuvor hatte sie sich die uralten Hauspläne sorgfältig eingeprägt. Die ersten beiden Stockwerke in die Tiefe passierte sie ohne Schwierigkeiten. Gerade als ihr der Auftrag anfing Spaß zu machen, sah sie auch schon die Wachen, die vor der Türe aus Eisenstäben standen. Doch sie waren nicht allein, hinter den Stäben war ein gigantisches schwarzes Katzenwesen, seine Augen leuchteten bedrohlich.
Sie wartete, wartete auf den richtigen Augenblick. Das Glück war heute auf ihrer Seite! Die beiden Wachen bewegten sich von der Tür weg, um ihrer Ablöse entgegenzugehen. Als sie um die nächste Ecke bogen, lief sie leise los. Beim Laufen hob sie einen der Steinchen vom Boden auf. Da sie nicht selten mit diesen Katzenwesen zu tun hatte, wusste sie, wohin sie zielen musste, um das Tier außer Gefecht zu setzen.
Ab jetzt musste sie schnell sein! Sonst würde sie die Ablöse schnappen! Mit flinken Fingern machte sie sich an der Tür zu schaffen, sie klickte. Zum Glück fand sie den Stein sofort. Hastig band sie ihn um ihren Hals und verschwand in dem dunstigen Teleportationsnebel!
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