Im Scheinwerferlicht des Ichs
Das Theater füllt sich, die Lichter gehen aus und ich sitze im dunklen Saal. Meine Füße berühren den Samtteppich und langsam hebt sich der Vorhang.
Ich staune. Über ihre Stimme, die schwerelos über die Reihen zu gleiten scheint.
So selbstbewusst möchte ich sein,
So mutig, so frei.
Wie sie den Augenblick festhält, obwohl die Zeit so schnell rennt.
Der ganze Saal bewundert sie- nur sie, die, die ihr Leben gerade so lebt, wie ich es einmal leben will.
Wie gerne würde ich eines Tages die sein, die etwas im Leben erreicht, die Menschen durch ihre Kunst zum Staunen bringt.
Langsam hebt sich der Vorhang.
Ich trete hervor, das Licht verwehrt mir die Sicht auf die vielen Gesichter, die Luft ist schwer von Staub und Erwartungen.
Jeder Atemzug ist ein Versuch, die Zeit anzuhalten, die mir entgleitet.
Ich sehe dort unten ein Mädchen und mein Herz zieht sich vor Sehnsucht zusammen.
Mir scheint, als wären wir uns schon einmal begegnet. Sie sitzt in der 1. Reihe und ich kann mich einfach nicht daran erinnern, woher ich sie kenne.
Ich habe das Gefühl, sie sieht mich direkt an, mich, sitzend im Parkett. Meine Herzfrequenz gewinnt jetzt an Dynamik, ein Takt noch und das Orchester leitet das Finale ein.
Sie ist talentierter als ich, stärker als ich, besser als ich.
Und doch fühle ich mich ihr so nah.
Meine Augen folgen dem Lichtstrahl, den der Lichttechniker genau auf sie lenkt. Stille. Alle Augen sind auf sie gerichtet. Applaus.
Der Saal wird wieder hell, das Theater leert sich und meine Füße berühren noch immer den Samtteppich.
Ich muss sie nach einem Autogramm fragen, will wissen, wie sie es geschafft hat, die zu werden, die ich so gerne wäre. Die, die sich getraut hat, ihr Können zu zeigen. Die, die vom Publikum geliebt wird.
Ich öffne die Bühneneingangstür, die die Theaterluft vom Rest der Welt trennt.
Plötzlich stehe ich dem Mädchen gegenüber. Die großen, glänzende Augen, die mich die ganze Vorstellung über begleitet haben, blicken mich an. Und jetzt weiß ich wieder, woher ich dieses Gesicht kenne.
Es ist mein eigenes.
Denn auch ich war einmal 14 Jahre alt und habe vom Parkett aus vom Leben als Musical-Darstellerin geträumt. Mein Lebenstempo war jedoch schneller, als ich ihm folgen konnte. Und jetzt bewundere ich alle anderen, nur nicht mich, obwohl ich meinen sehnlichsten Kindheitswunsch gerade leben darf.
Und darum weiß ich, in diesem Moment schreibe ich gerade nicht einfach nur ein Autogramm, sondern ich schreibe den Beginn einer Geschichte.
Ihrer Geschichte, meiner Geschichte.
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