Immer nur: mich
„Wenn du in den Spiegel schaust, wen siehst du da?“
„Was für eine offensichtliche Frage. Ich sehe mich. Braune Augen, kurze Haare - obwohl naja, ich könnte sie mal wieder schneiden - aber sonst ein normaler Typ eben. "
„Hey du musst das schon ernst nehmen.“
„Na gut. Meinetwegen. Wenn du so darauf bestehst, ziehen wir es durch!“
„Ganz genau. Das tue ich, also?“
„Also was?“
„Wen siehst du?“
„Immer noch: mich.“
„Ey du weißt doch worauf ich hinaus will und das war nicht die Antwort die ich hören wollte.“
„Also ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung was du hören willst.“
„Okay, dann nochmal von vorne. Schließe die Augen und. . .“
„Ist das wirklich nötig?“
„Jetzt konzentriere dich. Schließe die Augen und denke an das was passiert ist!“
„Warte. . . Was? Wieso soll ich daran denken? Du warst dabei. Wir waren beide da.“
„Weil ich wissen muss, dass du dich dem stellst. Und jetzt schließe die Augen wieder und denke daran. Sag mir, was ist das Erste, dass dir in den Sinn kommt.“
„. . . Angst.“
„Angst? Warum?“
„Das weißt du.“
„Ja, aber weißt auch du es?“
„Angst, weil ich es immer noch spüren kann.“
„Angst wovor?“
„Davor, dass es wirklich passiert ist.“
„Das WAS passiert ist?“
„HÖR auf, okay? Hör einfach auf. Ich will das nicht.“
„Aber darum geht es. Ich weiß es. Du weißt es. Wir brauchen nur dich, der es ausspricht.“
„Wir wissen gar nichts. Ich kenne nur deine Lüge.“
„Die Lüge, die für alle anderen wie die Wahrheit erscheint. An was erinnerst du dich noch?“
„. . . Ich erinnere mich daran, dass du auf dem Fenstersims standest. Dein Blick ging hoch in den Nachthimmel. Du sprachst davon, dass du es mir heimzahlen willst. Dein Vermächtnis, hast du es genannt. Die Rache für das, wofür ich mich unendlich viele Male entschuldigt habe. Ich habe dich verrückt genannt, dein Leben dafür zu verschwenden um es mir als Mord anzuhängen. "
„Öffne deine Augen.“
„Nein ich will nicht.“
„Doch. Du musst. . . gut und jetzt sag mir, wen siehst du da?“
„Warum verlangst du von mir es auszusprechen?“
„Du sollst nicht mich angucken sondern wieder nach vorne. Stell dich dem und vergesse es nicht.“
„Das kann ich nicht vergessen. Ich habe dich doch immer geliebt.“
„Dann sag es!“
„NEIN! Du bist weg. Warum verfolgst du mich?“
„Herr Parker, bitte beruhigen Sie sich. Niemand verfolgt Sie. Beantworten Sie einfach meine Frage: Wir gehen davon aus, dass ihre Frau nicht aus freien Stücken gesprungen ist. Haben sie eine Vermutung? Haben sie einen Täter vor Augen?“
„Ja, sag es ihm Schatz. Wen hast du vor Augen? Wenn du in den Spiegel schaust, wen siehst du da?“
„Lass mich damit endlich in Ruhe und verschwinde aus meinen Gedanken.“
„Erst wenn du redest.“
„Na schön. Ich sehe immer nur: mich!“ , schrie er Hals über Kopf und wurde daraufhin abgeführt.
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