In der Stille des Erfolgs: Verlorene Sehnsüchte
Die Lichter der Stadt blinzelten ihr durch große Glasfenster zu. Sie blickte von ihrem Laptop auf. Unter ihr tausende von Menschen, ihre gehetzten Gespräche auch von oben sichtbar, unterstrichen durch wildes Gestikulieren der Autofahrer auf der befüllten Kreuzung. Sie seufzte. Das Minikleid über ihre Schenkel streichend, stand sie auf. Ihre Stöckelschuhe hallten auf dem kalten Boden ihres Apartments.
Sie setzte sich, der kalte Ton in ihrem Kopf nun verklungen, schaffte ihr klare Sicht auf die Benachrichtigung, grell an der Ecke des Bildschirms erscheinend.
Ein neuer Gewinn. Ein weiteres Zeichen von Anerkennung durch ihre Agentur. Ihr Kopf kippte nach hinten und ihre Gedanken kreisten. Sie hatte alles erreicht. Ihre Zukunft war zu ihrem Jetzt geworden. Zu ihrem Heute, hier an diesem Tisch.
Warum also fühlte sich dieser Raum so leer an? Wo war die Euphorie geblieben, die sie in den letzten Tagen bei ihren Zielen verfolgt hatte? Das Einzige, was sie nun begleitete, war die heranwachsende Dunkelheit, die sich aus der Ecke des Raumes bis über die Fenster ausgebreitet hatte. Leise hatte es ihre ganze Welt verschwommen und ihre nächsten Schritte zu einem großen, grauen Fleck aufgelöst.
Es gab kein Weiter mehr. Es gab auch kein Ende. Ihre Träume hatten bis zu diesem Zeitpunkt immer einen Weg vorgeschlagen, dem sie sturköpfig gefolgt war. Jetzt stand sie einfach da.
Ihr Wunsch für Menschen von Bedeutung zu sein, war eine alltägliche Aufgabe geworden mit wöchentlicher Abgabe.
Doch auch das war in dem Chaos ihrer Klienten verloren gegangen. Sie war zu einem weiteren Teil vieler Produktionen geworden, was sie nicht weiter störte. Doch sie hatte erwartet, dass ihre Ziele höher waren, als der 5. Stock ihrer Wohnung, in welchem sie langsam in ihrem Stuhl herabsank.
Die Agentur brachte ihr gutes Geld, weitere Aufgaben und fließende Tage. Doch ihr Höhepunkt war schon da gewesen und sie hatte ihm nur zugewunken und mit anderen Freuden vorbeiziehen lassen.
Den Alltag mit müdem Lächeln begegnend hielt sie ihren Körper aufrecht und das Wissen in ihrem Kopf bereit. Wartend auf einen weiteren Moment der Anerkennung.
An einsamen Abenden wurde es zu dröhnenden Gedanken und salzigen Tränen in ihrem Mund.
Noch immer wurden die Fenster grauer und die Post vor ihrer Tür stapelte sich. Die Farben des Laptops verblendeten, bis sie ganz vom Stuhl hinabrutschte, auf den Boden fiel.
Noch immer sammelten sich Menschen vor dem Zebrastreifen, hupende Autos wurden nicht weniger. Nach einer Woche war sie noch immer am Leben, aber ihr Verstand wurde von der Schwärze in vielen kleinen Stücken verschluckt.
Sie meinte sie konnte sich nicht um sich kümmern.
Bis sie aufstehen, den Kühlschrank öffnen musste. Bis der letzte Teil ihres Verstandes versprach, dass das Leben weitergeht.
So ging sie zu ihrem Job, nahm ihren Alltag wieder auf.
Bis sie sich auf den harten Boden über den Wandel der Großstadt legte und von Tag zu Tag mehr in die Dunkelheit sinnierte.
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