In der Stille gesehen
Es war ein Montagmorgen wie jeder andere. Luis stand vor dem Schultor. Seine blaue Mappe fest mit seinen Armen umschlungen. Er wusste was ihn dort erwartete. Das laute Gelächter, die tuschelnden Stimmen und das dauernde Zeigen auf einen. „Tschüß Mama“, sagte er noch bevor er den ersten Schritt vorwärts wagte. Sobald er um die Ecke verschwunden war, zog er seine schwarze Kaputze über seinen Kopf. Er wollte so unaufällig wie möglich den Weg in seine Klasse finden. Schon bevor er die Klasse betrat, hörte er die Stimmen seiner Mitschüler, besonders die von Jakob und seiner Clique. Luis versuchte seine zitternden Hände ruhig zu halten, betrat die Klasse und setzte sich.
Die ersten Stunden vergingen und die Glocke kündigte die große Pause an. Der Pausenhof war wie immer überfüllt und voll von Lachen. Doch für Luis fühlte sich alles still an. Er ging langsam auf seinen gewohnten Platz neben der alten Eiche zu und setzte sich auf die alte Bank. Hier verbrachte er seine Pausen oft allein, um nicht aufzufallen.
„Na, wieder allein?“, fragte eine bekannte Stimme. Es war Jakobs umgegeben von seinen Freunden. Sie standen vor Louis und sahen ihn spöttisch und herablassend an. „Kein Wunder, dass du hier immer alleine sitzt. Sieh dich doch bloß mal an. So still und langweilig. Und was hast du da überhaupt an?“ Die anderen lachten und Luis Blick blieb gesenkt. Ein kurzer Augenblick, in dem er sich wünschte unsichtbar zu sein. Nicht gesehen zu werden oder einfach weit weit weg von dem allen hier zu sein. In der folgenden Woche passierte es in den Pausen erneut. Immer dieselben Sprüche und immer dasselbe Gefühl. Die Worte bohrten sich in seine Gedanken und wurden zu einem Gefühl, welches ihn immer begleitete. Mit jedem Tag fühlte er sich ein Stück wertloser und kleiner. Die Momente in denen Jakob mit seiner Clique Luis nachrief, schienen endlos zu werden. Eines Tages, als er sich auf den Weg zu seiner Bank machte, sah er, dass sie bereits besetzt war. Ein Mädchen, das er noch nie zuvor gesehen hatte, lächelte ihn an. „Ist hier noch frei?“, fragte Luis und bevor sie nickte, setzte er sich neben sie. „Ich bin Mia“, sagte das Mädchen und streckte ihm ihre Hand entgegen. Zögernd reichte er ihr seine. „Du siehst so aus, als könntest du eine Pause von allem gebrauchen“, setzte sie fort. Es folgte ein Moment der Stille. Luis sah sie überrascht an. Woher konnte sie das wissen. War es so offensichtlich? Zum ersten Mal seit langem, fühlte Luis sich aber nicht allein. Er erzählte Mia von den Sprüchen, den Blicken und dem Lachen. Sie hörte aufmerksam zu, ohne ihn zu unterbrechen. Als Luis fertig erzählt hatte, sah Mia herab und sagte leise: “Ich kenne dieses Gefühl.“ Von da an änderte sich etwas. Jakob und seine Freunde ließen Luis nicht zufrieden, doch die Augenblicke in denen Luis sich unwohl fühlte, wurden immer weniger. Mia blieb an seiner Seite und hörte immer zu, wenn er reden wollte. Sie half ihm durch diese schwere Zeit, manchmal durch stundenlanges gemeinsames Schweigen.
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