In meinem Aquarium
Frühsommer
Es beginnt mit Hitze. Tut es das nicht immer? Urknall, Ursuppe, Urlaub. Hitze, Hitze, Hitze.
Und ich? Bei der Arbeit.
Und meine Freunde? Im Freibad. Chlor. Kindergeschrei. Sonnencreme.
Hochsommer
Die Routine, an der ich mich bis jetzt so panisch festgeklammert habe, beginnt mich zu erdrücken. Ich habe keine Klaustrophobie, aber das ist schon arg- auf psychischer Ebene halt. Ich verfange mich im grauen Alltag, bleibe an ihm kleben wie die Fliegen am Zuckerstreifen in Omas Garten. (Wah, was für ein grindiges Ding). Jetzt bekomme ich keine Luft mehr. Meine Lungenbläschen scheinen zusammenzukleben, sie lassen keinen Sauerstoff mehr durch.
Es fällt niemandem auf.
Dieser gottverdammte Altbau. Mit einem Mal wirkt er fragil, ein kräftiger Windstoß und er taumelt und klappt in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Risse klettern die Wände hinauf, beißen sich in ihnen fest, ich muss die Augen öffnen, damit sie mich nicht unter sich begraben.
Jetzt ist es vorbei, sage ich mir, aber es geht immer weiter.
Spätsommer
Es wird langsam besser.
Ich bin auf Urlaub (wandern, grün, Natur), meine Freunde arbeiten.
Wenn es regnet, fühle ich mich schlecht, wenn die Sonne scheint, klaube ich die etlichen kleinen Teile von mir wieder auf, setze sie zusammen, betrachte mein Meisterwerk. Anders als vorher, aber nicht schlecht.
Ich bin viel alleine, streife durch die Stadt. Der Asphalt wirft die Hitze zurück und lässt die Luft flimmern. Ich gehe schwimmen. Abends gehe ich aus. Die Zeit streicht an mir vorbei, ich lasse mich in ihr treiben, zerfließe. Alles ist dumpf, ich betrachte die Welt aus meinem eigenen, ganz persönlichen Aquarium.
Ich fahre nach Berlin. Hier ist es ebenso schön wie hässlich.
Wieder zurück. Die Frage nach Glück, meinem eigenen und dem der anderen, lässt sich nicht beantworten, je mehr ich nach einer Antwort suche, desto entfernter scheint sie.
Sommerende
Der Sommer hört ebenso plötzlich auf, wie er begonnen hat.
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