Insomnia
Was heißt genug überhaupt? Das frage ich mich spät nachts, eigentlich um 4 Uhr morgens.
Es ist ein Wort, wovon man so viel haben kann, doch niemals genug. Und da haben wir es schon wieder, dieses „genug“ es ist für mich so alltäglich, es fällt mir gar nicht mehr auf. Alle versuchen immer, genug zu haben, obwohl man es noch mit so vielen Verben kombinieren könnte. Wie wäre es, wenn wir einfach versuchen, genug zu sein. Schön genug sein. Intelligent genug sein. Reich genug sein. Beliebt genug sein. Genug genug sein.
Wie paradox es doch ist, dass ich mein Leben lang versuche genug zu sein, obwohl ich bereits abermals die Bestätigung dafür für bekam, dass ich es doch bereits bin. Wie oft hat mir das Schulsystem gesagt, dass ich nichts Besseres als ein „GENÜGEND“ bin? Als Immigrantin nicht integriert genug. Als Frau nicht wertvoll genug. Als Mensch nicht menschlich genug. Abgestempelt als genug, doch niemals gut genug. Nicht einmal genug genug.
Ja, spät nachts, doch in Wirklichkeit schon am frühen Morgen, fällt mir auf, dass zu sein und sich zu fühlen einfach nicht dasselbe ist. Wenn ich reich bin, dann besitze ich hochwertige Güter und genieße den Wohlstand, der Vielen verweigert bleibt. Wenn ich mich jedoch reich fühle, dann muss ich wohl voll und ganz mit meinem Leben zufrieden sein. Mit Freunden, Erinnerungen, Erfahrungen, Weisheit, Glück und Gesundheit bereichert. Und so ähnlich sollte das Konzept auch mit „genug“ funktionieren, oder etwa nicht? Genug als Lebenseinstellung, das wäre doch was!
Es heißt: „Genug ist genug!“ Aber ist Genug wirklich genug? Steht Genug manchmal auch vor dem Spiegel und sagt: „Heute sehen meine Haare genug aus, meine Kleidung passt genug, meine Schuhe sind genug und naja, obwohl, macht mich der Pullover nicht doch eher genug?“ Wer gab uns, das Recht zu bestimmen, dass Genug genug ist. Vielleicht möchte Genug nur einmal herausragend sein. Immerhin ist Genug doch auch nur ein Mensch.
Egal wie lange ich über das Wort genug rede, für Manche wäre es niemals genug, um wirklich zu begreifen. Andere wiederrum würden mich verstehen, ohne dass ich die akkurate Sprache finde, um mich richtig genug auszudrücken.
Genug ist so ein trauriges Wort, beschließe ich in der Stille, der bis vor Kurzem noch so dunklen Nacht und in der Dämmerung, des herankommenden Morgens.
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