Irgendwie
Das wirklich Schwierige daran, jemanden zu verlassen, ist jener Moment, wenn einem klar wird, dass, egal wie langsam man geht, der andere einem nicht folgen wird. So vieles ging ihm durch den Kopf, als er sie jetzt ansah. So viele Gefühle tobten in seinem Inneren, dass er sie nicht mehr unterscheiden konnte, nicht mehr wusste, ob er lachen oder weinen wollte, nicht mehr wusste, woher er die Kraft nehmen sollte, weiter zu sprechen. Er war wütend. Er hatte Angst. Er hasste sie. Er wollte sie anschreien. Er liebte sie. Er liebte sie so sehr.
Er liebte sie und sie liebte ihn, doch so einfach war es nicht.
Er schluckte, doch als er ihr in die Augen blickte, vergaß er, was er sagen wollte. Er hatte sich vom ersten Tag an in diese Augen verliebt. In dem Moment, als er zum ersten Mal ihrem tiefgründigen Blick begegnet war, war es um ihn geschehen gewesen. So vieles hatte sich geändert, doch ihre Augen waren noch immer dieselben. Wie leuchtende Sterne, sein Anker und Kompass in dieser Welt. Was sollte er ohne sie tun? Wenn er sie verlor, würde er wie ein Schiff von der Strömung hilflos mitgerissen werden, und von den Fluten überrollt werden.
Sie hielt seinem Blick stand. Sah ihn an, aus diesen Augen, in denen die Weisheit der Welt verborgen war, diese Augen, die seinem Leben einen Sinn gaben. Er wusste, dass er etwas sagen sollte. Doch er konnte nicht. Vielleicht war es auch gar nicht möglich. Vielleicht war es eine Art Schutzfunktion des menschlichen Körpers, die ihn davon abhielt, sein eigenes Herz zu brechen.
„Liz….“, setzte er an, doch er erkannte seine eigene Stimme nicht wieder, er war sich nicht einmal sicher, ob sie ihn gehört hatte, ob er überhaupt laut gesprochen hatte.
„Phillip. Wir müssen das hier nicht tun. Wir schaffen das schon irgendwie. Irgendwie kommen wir da durch.“ Er hörte das gleiche Zittern in ihrer Stimme, das seine eigene so fremd hatte klingen lassen. „Ich liebe dich, Phil.“
Dies war der Moment, in dem ihm klar wurde, dass sie ihm nicht folgen würde. Und er wusste, es war vorbei.
Er hätte um sie gekämpft, doch er konnte nicht gegen sich selber kämpfen. Seine Stimme klang noch immer fremd in seinen Ohren, als er ihr antwortete.
„Ich weiß. Ich weiß, dass du mich irgendwie liebst. Aber, Liz, einer, der wirklich liebt, und einer, der irgendwie liebt, das geht einfach nicht. Irgendwie wird immer jemand verletzt werden.“
Bis dahin hatte er nicht gewusst, dass man jemanden vermissen konnte, der direkt vor einem stand. Leise flüsterte er: „ Irgendwie reicht einfach nicht. Irgendwie ist nicht genug.“
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